Im Namen des Mondes gegen STI

Am 21.11. stellte das japanische Ministerium für Gesundheit, Arbeit und Soziales eine besondere PR Kampagne vor. Im Fokus stehen dabei junge Frauen, unter denen zunehmend Infektionen mit sexuell übertragbaren Krankheiten (STI) registriert wurden.

Botschafterin für den Kampf gegen STI ist diesmal keine geringere als Sailor Moon alias Bunny Tsukino. Mit Postern, Flyern und Kondomen wird Aufklärungsarbeit geleistet und dazu aufgerufen, sich auf STI untersuchen zu lassen. Das Material soll zum Beispiel bei der Volljährigkeitsfeier (jedes Jahr im Januar) in den Kommunen verteilt werden.

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Einem Bericht des Gesundheitsministeriums zufolge waren 2015 in Japan 2697 Fälle von Syphilis bekannt und inzwischen ist die Zahl auf über 3000 in diesem Jahr gestiegen. Syphilis ist eine bakteriell sexuell übertragbare Krankheit, die weitergegeben wird, wenn kein Kondom verwendet wird. Sie gehört somit auch zu den STI. Zwar ist die Krankheit medikamentös behandelbar, allerdings bemerken die Infizierten oft die Infektion nicht. Es können Organe geschädigt werden und in letzter Konsequenz kann die Krankheit tödlich enden.

Besonders die Ansteckung von jungen Frauen zwischen 20 und 30 war auffällig. Diese Gruppe ist mit der Manga- und Animeheldin Sailor Moon groß geworden. Deshalb bat das Ministerium die Mangazeichnerin Naoko Taekuchi, die Schöpferin von Sailor Moon, um Zusammenarbeit.

Es wurden 60.000 Kondome, etwa 5000 Plakate und noch etwa 160.000 Flyer mit Sailor Moon als Botschafterin entworfen. Takeuchi hofft, dass viele dem Aufruf von Sailor Moon folgen und sich untersuchen lassen.

http://www.asahi.com/articles/DA3S12669765.html

Abgesehen davon, dass ich Sailor Moon toll finde und die Idee im Grunde gutheiße, regt sich bei mir leichter Widerstand, wenn man mich mittels einer Manga- und Animefigur erziehen will. Aber sei’s drum.

Die noch viel drängendere Frage ist jedoch, wann eine entsprechende Kampagne für den männlichen Teil der Bevölkerung gestartet wird. Nur den Blick auf die steigenden Infektionszahlen unter jungen Frauen zu richten, ist zu einseitig. Denn wenn die Infektionszahlen unter jungen Frauen steigen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit ohne Kondom mit Männern geschlafen haben, so müssen diese Männer infiziert gewesen sein (STI kann natürlich auch bei nicht heterosexuellem Sex übertragen werden). Jetzt aber den jungen Frauen Kondome in die Hand zu drücken, ihnen zu sagen, sie sollten besser aufpassen und sich untersuchen lassen, ignoriert die Verantwortung, die Männer als Partner beim Sex haben. Sollten Männer sich auch von Sailor Moons Botschaft angesprochen fühlen, umso besser! Wenn nicht, so müsste man Pokemon oder Dragon Ball bemühen.

Hässlich aber herzlich

Normalerweise sind die Japaner sehr gut darin, übertrieben süße Charaktere oder Maskottchen zu entwerfen. Diese dienen der Produktvermarktung, machen eine Region bekannt oder fördern das Bewusstsein für Mülltrennung bei Jung und Alt (siehe Beitrag zur Sonnenblumen-Müllabfuhr).

Die Stadt Kikuchi in der Präfektur Kumamoto hat nun eine Kreatur geschaffen, die etwas aus diesem Schema fällt. Gestatten: Kikuchikun.

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Grün-marmorierter Kopf, blaues Gesicht, vertrocknet wirkende Augen, schwarz-weiß gefleckte Beine – was soll das?

Die erste Aufgabe des Maskottchens war es gewesen, in der lokalen Grundschule den Kindern das allseits bekannte und beliebte Märchen „Momotaro“ vorzulesen (in solchen Maskottchen stecken immer mehr oder minder gut bezahlte JapanerInnen; oft sind es Studenten). Doch nachdem die Grundschüler allesamt zu viel Angst vor Kikuchikun hatten, wurde das Maskottchen nicht mehr eingeladen. Auch die Möglichkeit, per Video mit Kikuchikun zu telefonieren, wurde nicht wahrgenommen.

Dennoch ließ man sich nicht beirren. Es wurde auf den Charakter ausgerichtetes Merchandise hergestellt und verbreitet. Außerdem ist Kikuchikun auf Twitter und Facebook sehr aktiv.

Schließlich schaffte Kikuchikun es ins lokale Fernsehen. Doch gerade als er bekannt zu werden begann, fand das Erdbeben von Kumamoto im April diesen Jahres statt.

Kikuchikun erwies sich als wahrhaft mit der Stadt und der Region verbunden. Außerdem waren seine Botschaften nicht nur leere Mutmach-Sprüche, sondern bewiesen Herz und Verstand. „Es wird den Leuten immer gesagt, dass sie nicht aufgeben sollen. Aber ist das alles? Manchmal kann es auch gut sein, wenn man sich zurückfallen lässt, oder wenn man mal zur Seite ausweicht. Es gibt nicht nur den einen richtigen Weg. Geht den Weg, an den ihr glaubt.“ Kikuchikun möchte den Leuten dabei helfen, zumindest kurz ihr schweres Los in den verwüsteten Gebieten zu vergessen.

Neben dieser herzlichen Art hat das Maskottchen auch Witz und Mut gezeigt. Kikuchikun wurde dafür kritisiert, dass er gar nicht offiziell anerkannt sei als Maskottchen. Daraufhin entgegnete er, dass er ganz froh sei, nicht offiziell zu sein, sonst müsste er am Ende nur noch über die schönen und oberflächlichen Dinge reden. Oder am Ende gar werden wie Kumamon, das offizielle Maskottchen der Präfektur Kumamoto, der „doch eh immer nur über sich selber quatscht“. Am Ende verkündet Kikuchikun, dass er irgendwann beim Wettbewerb der Maskottchen Japans (ja, sowas gibt es), Kumamon zu Fall bringen wird.

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Rivale Kumamon

Die Bewohner von Kikuchi jedenfalls lieben ihren Kikuchikun. Der Kopf ist den regionalen Melonen, das Blau den Flüssen der Bergschluchten nachempfunden und die Augenbrauen stehen für die heißen Quellen. Schönheit und Balance sind eher vernachlässigt worden. Aber allein dadurch, dass man die Bedeutung von Kikuchikun den Menschen erklären muss, ist die Stadt schon sehr viel bekannter geworden, erzählt die Verkäuferin im örlichen Süßigkeitenladen.

Am 11.11. ist Kikuchikun ein Jahr alt geworden. Herzlichen Glückwunsch und weiter so!

(http://digital.asahi.com/articles/ASJBT0SDPJBSTLVB021.html?_requesturl=articles%2FASJBT0SDPJBSTLVB021.html&rm=726)