Die Kinder des japanischen Staates

Ein Großteil aller Minderjährigen, die in staatliche Obhut kommen, wird in klassischen Einrichtungen des Sozialsystems untergebracht (siehe dazu Einrichtungen des Kinder- und Jugendschutzes in Japan). Nach Möglichkeit soll eine Rückführung in die eigentliche Familie durchgeführt werden. Ist dies nicht machbar, verbringen Kinder und Jugendliche oft viele Jahre im Heim.

Bereits vor einigen Jahren wurden in der japanischen Politik Stimmen hörbar, die eine verstärkte Nutzung von Pflegefamilien u. ä. als Alternative fordern. Dieses Umdenken setzte mit der Reform des Sozialgesetzes von 2016 ein, in der Japan sich erstmals auf neue Vorgehensweisen festlegte und auch die Präfekturen und Verwaltungseinheiten darauf verpflichtete. Gegenwärtig leben noch immer 80 % der betreuten Kinder und Jugendlichen in sozialen Einrichtungen. Ziel der Regierung ist es, bis zum Jahr 2024 etwa 75 % aller unter Dreijährigen in Pflegefamilien unterzubringen. Doch nur ein geringer Anteil der Präfekturen und Verwaltungseinheiten haben sich vergleichbar ehrgeizige Ziele gesetzt. Ist der Wandel von der Einrichtung in die Pflegefamilie überhaupt machbar?

Kazuhiro Kamikado, Professor der Waseda-Universität und Kinderpsychiater, setzt sich für diesen Wandel ein und wünscht sich, dass Kinder in staatlicher Betreuung in einer möglichst familienähnlichen Umgebung aufwachsen können. Um dies zu fördern, hat er mit anderen ein „Forschungsinstitut für soziale Fürsorge“ ins Leben gerufen. Dieses soll der Politik die nötigen wissenschaftlichen Hintergrunddaten liefern und eine Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure erleichtern. Im Interview mit der Mainichi-Shimbun legt er dar, warum eine Pflegefamilie generell einer Heimunterbringung vorzuziehen ist. Auch der aktuelle Stand der Entwicklung wird angesprochen. Es folgt eine Zusammenfassung seiner Aussagen.

Wenn ein Leben der Kinder und Jugendlichen bei der eigenen Familie nicht möglich ist, sei es aufgrund von Gewalt, Misshandlung oder auch Krankheit oder Armut der Familie, ist als nächste Lösung immer die Unterbringung in Pflegefamilien oder Adoption angezeigt. Erst wenn auch dies scheitert, sollten seiner Meinung nach Staat und lokale Gemeinden die Kinder in kleinen, familienähnlichen Einrichtungen betreuen lassen.  Kamikado untermauert diesen Ansatz mit Erkenntnissen aus Großbritannien. Dort wird das Motto „weg vom Heim, hin zur Pflegefamilie“ seit den 70er Jahren energisch verfolgt. Diese Entwicklung wurde parallel durch universitäre Forschung und Studien überwacht und betreut. So lassen sich Heimunterbringung und Aufwachsen in einer Pflegefamilie vergleichen. Diesen Beitrag der Forschung möchte Kamikado mit seinem Institut und ähnlichen Stellen landesweit für Japan übernehmen. Er sieht einen großen Bedarf an belastbaren empirischen Daten, die zur Umsetzung der Ziele essenziell sind.

Im Interview macht er deutlich, dass eine Rückführung in die eigentliche Familie weiterhin Ziel bleiben soll. Doch selbst dann ist es besser für ein Kind, in einer Pflegefamilie untergebracht zu werden und nicht im Heim „geparkt“ zu sein, bis sich die Umstände geändert haben. Grund dafür sind entwicklungspsychologische Aspekte. Ein Aufwachsen in familiären Kontexten ist nachweislich besser für die Entwicklung und das Wohlbefinden von Minderjährigen. Sie brauchen ein gefestigtes Familienumfeld und die Möglichkeit, zu immer gleichen Erwachsenen eine tiefe vertrauensvolle Beziehung aufbauen zu können. Dies gilt umso mehr, je kleiner das betroffene Kind ist. Kamikado nennt ein Beispiel aus der Geschichte: Nach Zusammenbruch der Diktatur in Rumänien haben Forscher in den 70er und 80er Jahren Kinder untersucht, die lange Zeit im Heim gelebt hatten. Es zeigte sich, dass sich bei den Kindern, die nun in Pflegefamilien heranwuchsen, die kognitiven Fähigkeiten deutlich verbesserten. Dieser Aufholeffekt war besonders groß bei Kindern unter 3 Jahren, weshalb es für diese Gruppe besonders wichtig ist, in einem familiären Umfeld zu leben.

Es liegt in der Natur der Sache, dass Kinder in sozialen Einrichtungen jeden Tag mit einer Vielzahl von Erwachsenen zu tun haben. Der jeweilige Verantwortliche ist innerhalb kurzer Zeit immer ein anderer. Im Hintergrund gibt es einen bestimmten Zeitplan, der eingehalten werden muss. Da bleibt einfach kein Raum für Dinge, die in einer Familie Platz finden könnten. Zwar ist das Ausmaß dieser Lücke sicher von Einrichtung zu Einrichtung verschieden, aber dieses Problem ist systemimmanent.

Hier liegt für Kinderpsychiater Kamikado auch einer der Gründe für psychologische Auffälligkeiten einer großen Gruppe von Heimkindern. Diese Patienten haben nicht nur mit Erfahrungen von Gewalt und Vernachlässigung zu kämpfen. Erschwerend kommen verschiedene Arten von Bindungsstörungen hinzu, da sie als Babys und Kleinkinder keine „sichere Basis“ gehabt hatten. Derartige tiefgreifende und komplexe Probleme lassen sich nur unzureichend mit Medikamenten lösen. Was eigentlich nötig wäre, ist ein sehr hohes Maß an Sicherheitsgefühl und Stabilität. Aber dies zu erreichen, ist nicht ohne Weiteres zu bewerkstelligen, vor allem nicht im Heimkontext. Deshalb ist er ein Verfechter des „weg vom Heim, hin zur Pflegefamilie“-Prinzips.

Doch wie sollen diese Ziele erreicht werden? Laut japanischer Regierung sollen bis 2024 mindestens 75 % der Kinder unter 3 Jahren, bis zum Jahr 2026 mindestens 75 % aller Vorschulkinder und bis zum Jahr 2029 alle übrigen Schulkinder in Pflegefamilien untergebracht werden. Eine Schlüsselrolle in der Umsetzung spielen für Kamikado die sog. Fostering-Agenturen.

Gegenwärtig läuft es so, dass die Säuglingsheime, Kinderheime, NPOs usw. von der Erziehungsberatungsstelle (jidō sōdanjo) eine Unterbeauftragung erhalten und als Fostering-Agentur tätig werden (siehe dazu Überblick in Einrichtungen des Kinder- und Jugendschutzes in Japan). Von der Anwerbung möglicher Pflegeeltern über Schulung, Bewertung der Anfrage bis hin zu der Unterstützung, die auch nach Beginn der eigentlichen Pflege geleistet wird, muss die jeweilige Einrichtung alles alleine stemmen. Dies ist ein großer Mehraufwand, der nicht nebenher betrieben werden kann.  Kamikado schlägt vor, bei den Säuglingsheimen anzusetzen und dort Veränderungen auf den Weg zu bringen. Ihre Funktion und ihre Befugnisse müssen ausgeweitet werden. Einige von ihnen bieten bereits einen Pflegeberatungsdienst an, haben eine Beratungsstelle für Schwangere, unterstützen Familien ganz allgemein in Erziehungsfragen und fördern Adoptionen von fremden Kindern. Hier ändert sich also auch der Fokus der Einrichtung. Die Betreuung und „Organisation“ der Säuglinge rückt in den Hintergrund und eine permanente Lösung mit dauerhafter Sicherheit für das jeweilige Kind gerät in den Fokus. Durch eine Änderung auch in der Denkweise, wie man eine soziale Einrichtung betreibt, lässt sich der Wandel weiterbringen. Dazu muss die nötige Unterstützung und Infrastruktur geschaffen bzw. ausgeweitet werden. Diese ersten Ansätze hält Kamikado für vielversprechend.

Auch die Finanzierung von sozialen Einrichtungen der Kinder- und Jugendfürsorge muss überdacht werden. Da die öffentlichen Gelder nach der Anzahl der Kinder festgelegt werden, erschwert die Abgabe von Kindern an Pflegefamilien auch die Verwaltung der Einrichtung. Damit sie trotzdem weiter betrieben werden können, braucht es hier eine Lösung.

Bedenken zum Wandel von den Einrichtungen hin in die Pflegefamilien kommen vor allem von den örtlichen Gemeinden und den Verantwortlichen der Einrichtungen. Sie prognostizieren einen Anstieg gescheiterter Vermittlungsversuche. Kamikado hält diese Bedenken für normal, bleibt aber mit Blick darauf, dass im Grunde alle Akteure das Beste für die Kinder und Jugendlichen wollen, zuversichtlich. Das angesprochene Problem ist durch eine intensivere Schulung und Nachbetreuung der Pflegeeltern zu lösen. Wiederum ist Großbritannien Vorbild. Kamikado möchte ein „Fostering Change Programm“ auf ganz Japan ausweiten, das sich an Pflegeeltern richtet, die gerade ein Kind aufgenommen haben. Dreimal in der Woche über 12 aufeinanderfolgende Wochen finden thematisch getrennte Sitzungen statt. Dort können konkret Probleme angesprochen und „unverständliches“ Verhalten des Kindes analysiert werden.

Dieses Fostering-Change-System gibt es seit 2016 in Japan. Einige Jahre später hatten bereits 53 Standorte dieses System übernommen. Nicht nur die Mitarbeiter der jidō sōdanjo und die Pflegeeltern selbst, auch das Personal der Einrichtungen haben teilweise mit großem Interesse an den Programmen teilgenommen.

Alles in allem ist Kamikado guten Mutes, dass ein Wandel zum Wohle der Minderjährigen möglich ist. Dafür ist es aber unabdingbar, dass Erkenntnisse, die unterwegs gewonnen werden, einfließen und ernst genommen werden.

Das Bemühen der japanischen Regierung, die Anteile der Unterbringung in Pflegefamilien oder kleinen Gruppen zu fördern, halte ich für sehr begrüßenswert. Umso besser, wenn durch universitäre Projekte die Umsetzung zudem betreut und evaluiert wird!

Quelle: https://mainichi.jp/premier/health/articles/20210210/med/00m/100/014000c

Japan zieht nach

Endlich tut sich ein wenig in Sachen Umweltschutz in Japan. Konkret ins Visier geraten sind die Plastiktüten, die es bisher für jedes noch so kleine Teil ungefragt an der Kasse mit dazugibt. Oftmals gehört es noch zum guten Service, die Sachen auch direkt für den Kunden in Plastiktüten zu verpacken. Damit wird in dieser Form nun Schluss sein; die Plastiktüten sind bald nur gegen geringen Zuschlag erhältlich. Auf diese Weise wird dem Wegwerfplastik auch in Japan der Kampf angesagt.

Besagte Plastiktüten nun kostenpflichtig zu machen, ist eine konkrete Maßnahme aus einem hastig zusammengeschusterten Plan für einen gelingenden Kunststoffkreislauf. Der Druck auf die japanische Regierung wächst momentan, vor allem angesichts der Tatsache, dass die Stadt Osaka im Juni Treffpunkt der G20 sein wird. Unter den Diskussionsthemen der Staats- und Regierungschefs der bedeutendsten Industrie- und Schwellenländer findet sich auch der Punkt „Verschmutzung der Meere durch Plastikmüll“.

Ausgerechnet bei diesem Thema hat Japan sich in der Vergangenheit nicht mit Ruhm bekleckert. Erinnern wir uns an das Treffen der G7 im letzten Jahr in Kanada: Gemeinsam mit den USA weigerte sich Japan, Verpflichtungen jeglicher Art im Hinblick auf Verschmutzung der Meere durch Plastikmüll einzugehen. Alle übrigen Teilnehmer des Gipfeltreffens unterzeichneten die sogenannte Charta zur Vermeidung von Plastikmüll in den Meeren. Auf Kritik aus dem In- und Ausland hieß es damals, Japan könne die Auswirkungen solcher Verpflichtungen auf das Leben der Bürger und die Industrie nicht absehen.

Scheinbar kann man dies nun doch. Oder Japan ist sich der peinlichen Lage bewusst, Gastgeber einer solchen Veranstaltung zu sein und selber (noch) nicht als vorbildliches Beispiel gelten zu können. Daher wohl diese Panik und das Prestigeobjekt Plastiktüte.

Zusammengetrommelte Experten haben im März einen Entwurf mit hochgesteckten Zielen vorgelegt, die teilweise über die Ziele aus der Charta zur Vermeidung von Plastikmüll hinausgehen. Statt 55 % (wie in der Charta vorgesehen) soll in Japan der Anteil an genutztem Plastik, das wiederverwertet oder recycelt wird, bis zum Jahr 2030 60 % betragen. Außerdem will Japan 5 Jahre vor den Unterzeichnern der Charta 100 % des genutzten Plastiks, einschließlich durch Wärmerückgewinnung, effektiv nutzen. Emissionen durch Wegwerfplastik sollen um 25 % gesenkt werden. Na dann gutes Gelingen.

Übrigens ist die Idee, Geld für die Plastiktüten zu nehmen, auch in Japan nicht neu. Schon 2006 wurde ein solcher Schritt gefordert, der aber am Widerstand der kleinen Kombinis und der großen Warenhäuser scheiterte.

 

Quellen:

https://digital.asahi.com/articles/DA3S13984887.html?_requesturl=articles%2FDA3S13984887.html&rm=150https://de.reuters.com/article/g7-gipfel-plastik-idDEKBN1J70L9

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Vor einigen Monaten ist es ein wenig still geworden um Tokiobanana. Grund dafür war meine intensive Vorbereitung auf ein Leben als selbstständige Übersetzerin. Ab Mai gehe ich jetzt offiziell unter dem Namen Hermes Übersetzungen als Übersetzerin für Englisch, Japanisch und Französisch an den Start.

Nun sind alle Steine ins Rollen gebracht, wie man so schön sagt. Deshalb bietet sich endlich mal wieder Zeit und Gelegenheit, den Blick von Anträgen und Formularen weg, hin zu Geschehnissen in Japan zu richten. Wie ja allgemein bekannt sein dürfte, befinden wir uns inzwischen nicht mehr in der Heisei-Zeit, sondern sind in der Reiwa-Zeit angekommen. Die heißen Diskussionen um die Bedeutung des Namens sowie die allgemeine Notwendigkeit des Kaisers und der Monarchie überhaupt überspringe ich mal an dieser Stelle. Interessant fand ich hingegen eine Reihe von Berichten aus der Asahi Shimbun, die sich retrospektiv mit Phänomen der vergangenen Ära auseinandersetzt.

Darunter ein Artikel über die sogenannte blumā.

Als Kind der 90er sind diverse japanische Serien über den heimischen Bildschirm geflackert. Darunter natürlich auch Mila Superstar, im englischen Sprachraum als Attack No. 1 bekannt. Ich mochte die Serie sehr gern, die Mädchen waren stark und gaben nie auf. Einige meiner Freundinnen sind durch sie zu begeisterten Volleyballerinen geworden und die deutsche Titelmelodie kann ich noch immer auswendig.

Aus heutiger Sicht ist die Serie oft übertrieben brutal – denken wir an die Ketten beim Training oder das nicht endende Spiel, obwohl der Freund gerade tödlich verunglückt ist. Auffällig war aber auch, dass Mila und Co. ca. 95 % der Zeit in Unterhosen Sport trieben – jedenfalls sah es danach aus.

Durch die Asahi wurde ich belehrt, dass dieses Sportkleidungsstück historisch und nicht nur fantastisch ist. Die Zeitung ging der Geschichte und vor allem dem Untergang der sogenannten blumā auf den Grund.

Ursprünglich diente die blumā dazu, es Frauen und Mädchen zu ermöglichen, die sonst in Kimono oder Hakama gekleidet waren, vernünftig Sport zu treiben. Eigentlich also ein guter Ansatz. Anlässlich der Olympischen Spiele von 1964 in Tokyo hielt es der Sportbund der Mittelschulen ganz Japans es für eine gute Idee, durch Verwendung der blumā zudem „der Schönheit des weiblichen Körpers“ mehr Anerkennung zu geben. Hersteller für Schulkleidung stiegen groß in das Geschäft mit der weiblichen Sportausstattung ein. Anzumerken ist, dass es nie eine offizielle Richtlinie des zuständigen Ministeriums zur Einführung an den Schulen gegeben hat.

Widerstand gegen die spärliche Bekleidung beim Schulsport kam erst 1993 auf. Dies auch nicht in Japan, sondern an einer japanischen Schule in Singapur, wo sich Schülerinnen weigerten, die blumā zu tragen, da sie sich dadurch entblößt fühlten. Der Protest wurde in Japan bekannt und führte dazu, dass Mädchen und auch Mütter vermehrt ihr Unbehagen in Verbindung mit diesem Kleidungsstück äußerten. Ihre Abneigung und das Gefühl der sexuellen Diskriminierung war nicht unbegründet; zum einen kam es immer wieder vor, dass die Mini-Sporthose in belebten Einkaufsstraßen oder bei anderen Gelegenheiten geklaut wurde. Zum anderen wurden gebrauchte blumā in einschlägigen Geschäften an zahlende Kundschaft verkauft.

Das Bewusstsein für die Problematik und der Widerstand nahmen langsam zu. Als Schülerinnen des 3. Jahres Mittelschule (also ca. 15 Jahre alt) einer Schule in Tochigi im Rahmen eines Schulausflugs zum Gericht einen Richter darauf ansprachen, ob das ganze denn nicht aus menschenrechtlichen Gründen problematisch sei, stimmte dieser ihnen zu. Dennoch schaffte die Schule in Tochigi die blumā erst nach dem Abschluss der Schülerinnen ab. Heute werden dort im Sportunterricht – wie fast überall in Japan – kurze Hosen getragen, die in etwa bis zum Knie reichen.

Der wachsende gesellschaftliche Widerstand gegen den Zwang zur blumā an Schulen hat schließlich dazu geführt, dass das Kleidungsstück seit 2013 nicht mehr zu bekommen ist.

Aus heutiger Sicht greift ein so freizügiges und vor allem aufgezwungenes Kleidungsstück in die Rechte der Kinder ein. Laut UN-Kinderrechtskonvention sind in dem Fall Paragraph 16 (Recht auf Privatsphäre) und Paragraph 34 (Schutz vor sexueller Ausbeutung und Misshandlung) betroffen. Japanische Mitglieder der Vereinigung „Rechte der Kinder“ bewerten auch den Zwang zum Tragen von Röcken kritisch, da hier ebenfalls in die Selbstbestimmung und die Darstellung der Sexualität des Kindes bzw. der Minderjährigen eingegriffen wird.

In einigen Regionen Japans, unter anderem in Fukuoka und Bereichen der Präfektur Tokyo, gibt es aktuell Bestrebungen, das Tragen von Hosen für alle Schülerinnen und Schüler zu ermöglichen. Gut so.

Quelle:

https://digital.asahi.com/articles/ASM4Q6SG2M4QUTIL076.html?_requesturl=articles%2FASM4Q6SG2M4QUTIL076.html&rm=652

 

Haarige Angelegenheiten

Das Streben mancher Schulen in Japan, die Schüler zu disziplinieren und zu einer homogenen Masse zu formen, trägt bisweilen komische Blüten. Hervorragend zu beobachten ist dies am Beispiel einer staatlichen Schule in der Präfektur Osaka. Dort wurde eine Schülerin des Unterrichts verwiesen, durfte nicht an einer Klassenfahrt teilnehmen und bleibt auch gegenwärtig dem Unterricht fern.

Grund dafür: ihre natürlich braunen Haare

Seit ihrem Eintritt in die Oberschule im Jahr 2015 wurde die Schülerin von Lehrern und Erziehern immer wieder dazu gedrängt, sich ihre Haare schwarz zu färben. Irrsinnige Begründung dafür ist, dass es Schülern verboten ist, Haare zu färben, sich eine Dauerwelle machen zu lassen oder ähnliches. Nur japanisches Haar, dass in den Augen der Schule offenbar schwarz und glatt zu sein hat, ist geduldet. Auch die Erklärung der Mutter der Schülerin, ihre Tochter habe nunmal schon seit ihrer Geburt braune Haare, ließ die Schule nicht gelten.

Doch nach einer langen Zeit voller Repressalien, Druck und Frisörbesuchen hatte die Schülerin im September 2016 endgültig genug. Sie kam der Anweisung der Schule nicht mehr nach und wurde infolgedessen des Unterrichts verwiesen. Ihre Haare waren einfach nicht mehr schwarz genug, nicht mehr konform.

Die Schülerin hat nun rechtliche Schritte eingeleitet und die Präfektur als verantwortliche Stelle auf Schadenersatz verklagt. Der Anklageschrift zufolge wurden durch die dauernde Färberei die Kopfhaut und das Haar der Schülerin geschädigt. Außerdem litt sie unter dem Druck durch Lehrer und Erzieher, die sie nicht so akzeptierten, wie sie ist. Sie gibt zu bedenken, dass die Schule doch ein Ort sein sollte, an dem Schüler ohne Schaden und in völliger Gesundheit erzogen und ausgebildet werden sollten. Diese Pflicht hat die Schule aber durch ihre Engstirnigkeit in den Augen der Schülerin mehr als verletzt.

Bei einer ersten Anhörung vor Gericht am heutigen 27. Oktober zeigte sich die Vertretung der Präfektur jedoch unnachgiebig. Sie fordert eine Einstellung der Schadenersatzklage.

Quellen:

http://www.asahi.com/articles/ASKBS6D22KBSPTIL024.html

Bevor die Blutkonserven zur Neige gehen – Innovationen aus Kyoto

Im Jahr 2012 hat der japanische Stammzellenforscher Shinya Yamanaka den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin für seine Entwicklung von iPS-Zellen (induced pluripotent stem cells) erhalten. Das sind Zellen, die in der Lage sein sollen, sich wie eine natürliche Stammzelle in jede beliebige Körperzelle weiterzuentwickeln. Und da im Gegensatz zur Verwendung embryonaler Stammzellen in Forschung und Entwicklung keine ethischen Fragen aufkommen, sind iPS-Zellen äußerst vielversprechend für die Zukunft von Medizin, Biologie und Pharmazie.

Nun hat ein medizinisches Start-up aus Kyoto, Megakaryon Corp., um Genjiro Miwa bekannt gegeben, weltweit die erste Methode zur Massenproduktion von Blutplättchen aus iPS-Zellen gefunden zu haben. Gewöhnlich werden Blutplättchen aus gespendetem Blut anderer Menschen gewonnen und beispielsweise verwendet, um Blutungen nach Unfällen oder bei Operationen zu stillen. Gerade in Japan, wo aufgrund der sinkenden Bevölkerungszahl mit gleichzeitig hohem Altenanteil und geringer Geburtenrate ein weiterer Rückgang an Blutspenden abzusehen ist, setzt man auf die aus iPS-Zellen hergestellten Blutplättchen als Alternative. Außerdem sind aus Blutspenden gewonnene Derivate nur etwa vier Tage haltbar, wohingegen das von den Wissenschaftlern geschaffene Produkt bis zu zwei Wochen verwendet werden kann.

Megakaryon hofft, bis 2020 die Erlaubnis zum Vertrieb des Produkts in Japan und den USA zu erhalten und schließlich auch weltweit agieren zu können. Klinische Versuchsreihen sind für nächstes Jahr geplant. 

 

Quellen:

World’s first method for mass-producing platelets from iPS cells unveiled by Kyoto startup

http://www3.nhk.or.jp/news/html/20170807/k10011092061000.html?utm_int=nsearch_contents_search-items_001

 

Grundkurs Psychologie

In den Präfekturen Aichi und Gifu sowie in der Stadt Nagoya sorgen Poster an Bahnhöfen und Stationen zur Verhinderung von Selbstmorden für reichlich Wirbel. Letztes Jahr wurden etwa 850 der Poster an 441 Bahnhöfen und Stationen aufgehängt. Verantwortlich dafür sind die regionalen Verkehrsunternehmen.

Auf dem Poster werden Mitreisende und Fahrgäste darum gebeten, nach selbstmordgefährdeten Menschen Ausschau zu halten und diese eventuell anzusprechen. Außerdem wird auf die Umstände verwiesen, die Selbstmörder den Mitreisenden bereiten. 

Zu lesen ist dort neben diversen Beratungsnummern:

Selbstmorde stoppen!

Lasst uns alle zusammen das wertvolle Leben schützen!

Bei einem Selbstmord auf den Schienen geht nicht nur ein wertvolles Leben verloren, betroffen sind auch die Sicherheit und die Lebensverhältnisse vieler der Personen, die die Bahnen benutzen.

Wenn Sie jemanden sehen, der (derart) leidet, seien Sie mutig und sprechen Sie ihn an.

Natürlich ist für die Verkehrsunternehmen die Verhinderung von Selbstmorden auch aus einem wirtschaftlichen Blickwinkel heraus ein wichtiges Thema. Die Meitetsu Bahngesellschaft hat beispielsweise jährlich etwa 20-30 Fälle von Selbstmord auf ihrem Schienennetz zu verzeichnen. Die Folgen sind Verspätungen und Schäden, für die Meitetsu auch schon Entschädigungsforderungen an Angehörige gestellt hat.

Kritiker bemängeln, dass eine solche Herangehensweise und Formulierung wie auf dem Poster nicht effektiv ist. Mitglieder von Selbsthilfegruppen Angehöriger weisen zudem darauf hin, dass Hinterbliebene, die sich eh oftmals mit Gewissensbissen und Schuldfragen quälen, dadurch noch weiter gebrandmarkt werden. Denn schließlich hat ja ein Mitglied ihrer Familie anderen Umstände bereitet. Außerdem besteht großer Zweifel, ob akut Gefährdete wirklich durch den Hinweis, sie würden durch einen Sprung vor den Zug andere belästigen, vom Selbstmord abgehalten werden können.

Sicher hat ein Selbstmord auf den Schienen einen großen Einfluss auf die Verkehrsunternehmen und die Fahrgäste. Jedoch ist es mehr als fraglich, ob durch einen öffentlichen Hinweis auf die damit verbundenen „Umstände“ die Zahl der Suizide auf den Gleisen zurückgeht. Ein etwas sensiblerer Umgang mit dem Thema und mehr Einfühlungsvermögen wären wünschenswert. 

Immerhin wurden in der Stadt Nagoya nach Beschwerden nun etwa 140 Poster wieder entfernt.

Quellen:

http://digital.asahi.com/articles/ASK7M5668K7MOIPE02V.html?_requesturl=articles%2FASK7M5668K7MOIPE02V.html&rm=491

https://www.iwai-law.jp/%E3%83%96%E3%83%AD%E3%82%B0/

 

Trautes Heim …

Hat man einmal die geschützte Umgebung der Gastfamilie oder des internationalen Wohnheimes verlassen und schaut sich auf dem Wohnungsmarkt nach einer neuen Bleibe um, so wird man als Nicht-Japaner oftmals mit ungeahnten Problemen konfrontiert. Denn es gibt kein Gesetz, das Hausbesitzern verbieten würde, aufgrund der Nationalität einen Bewerber per se auszuschließen. Das heißt, Vermieter und Hausverwaltung können offen ausländische Bewerber aufgrund ihrer Nationalität rundweg ablehnen oder ihnen verschärfte Bedingungen auferlegen.

Dabei scheint es keinen Unterschied zu machen, ob die Bewerber gut ausgebildet sind, gut bezahlt werden und eine sichere Arbeitsstelle vorzuweisen haben. So waren selbst Universitätsprofessoren oder Angestellte japanischer Firmen ausländischer Herkunft unerwünscht. Auch Nicht-Japaner, die schon lange in Japan leben und nahezu perfekt Japanisch sprechen, haben diese Erfahrung gemacht. Selbst Personen, die einen japanischen Elternteil haben oder deren Ehepartner Japaner ist, wurden kategorisch ausgeschlossen. Besonders skeptisch werden potentielle Mieter aus dem asiatischen Ausland beäugt. Hier halten sich Vorurteile hartnäckig, da einzelne Fälle, in denen weitere Personen unerlaubterweise mit in der Wohnung lebten, medial Wellen geschlagen haben.

Einer Umfrage des Justizministeriums zufolge gaben 40% der befragten Ausländer an, die in den letzten 5 Jahren auf Wohnungssuche waren, aufgrund ihrer Herkunft abgelehnt worden zu sein. Es wird vermutet, dass etwa 60% der Wohnungen auf dem Markt von vornherein für ausländische Bewerber unerreichbar sind.

Besteht kein genereller Ausschluss ausländischer Mieter, ist in vielen Fällen mit gesonderten Auflagen, mehr Papierkram und höheren Kosten zu rechnen. Es ist Usus, dass Ausländer die doppelte Summe an Kaution und Schlüsselgeld zahlen müssen (Schlüsselgeld kann zwischen einer und drei Monatsmieten betragen und wird nicht bei Ende des Vertrages zurückerstattet; es ist mehr eine Art unfreiwilliges Geschenk an den Vermieter). Des weiteren verlangen Hausbesitzer oder die Verwaltung häufig einen Bürgen (japanischer Herkunft), der im Falle von Mietschulden oder Schäden an der Mietsache die Kosten übernimmt. Dieser Bürge kann eine Privatperson oder auch eine Firma sein. Handelt es sich um den Arbeitgeber, könnte dies im schlechtesten Fall sogar als Druckmittel gegen den ausländischen Arbeitnehmer verwendet werden.

Doch wieso wird nicht-japanischen Bewerbern das Leben so schwer gemacht? Größte Angst der Hausbesitzer und -verwaltungen sind Probleme aufgrund von (vermuteten) Sprachbarrieren. Die Vorstellung sitzt tief, dass Ausländer nicht in der Lage sind, sich auf Japanisch zu verständigen. Weiterhin werden Ausländer verdächtigt, sich nicht an die Regeln des Zusammenlebens, insbesondere in Bezug auf Mülltrennung und -beseitigung, zu halten. Hinzu kommt die Befürchtung, dass die ausländischen Mieter bei der Zahlung der Miete in Verzug geraten und im Zweifelsfall über alle Berge sind. Diese negativen Bilder halten sich auch deshalb so gut, da der Großteil der Hauseigentümer bereits jenseits der 60 ist und sich kaum bereit zeigt, Klischees zu revidieren. Laut Japan Times liegen jedoch keine statistischen Belege vor, die diese Behauptungen unterstützen. Vielmehr stehen Nicht-Japaner ständig unter dem Druck, beweisen zu müssen, dass sie weder unzuverlässig oder unordentlich noch rebellisch sind.

Makler und spezielle Verwaltungsfirmen schlagen Gewinn aus dieser Situation. Sie mieten unter dem Namen der Firma Wohnraum, leisten Zahlungen, übernehmen Kosten für die Instandhaltung und treten als Bürge ein. Diese Wohnungen werden dann an Ausländer weitervermietet. Natürlich fallen für den Mieter dadurch zusätzliche Kosten an. Darüber hinaus wird dieser Service bei weitem nicht im ganzen Land angeboten.

Ohne eine solide gesetzliche Grundlage wird es kaum möglich sein, die Situation ausländischer Mieter in Japan zu verbessern. Auch die Klage eines belgischen Studenten gegen seine Ablehnung aufgrund seiner Nationalität wurde abgewiesen. Das Gericht sah in der Weigerung der Hausbesitzer keinen Verstoß gegen die Menschenrechte des ausländischen Bewerbers, der sich diskriminiert fühlte. Gegenwärtig haben Vermieter und Verwaltung freie Hand, was den Umgang mit und die Auflagen für ausländische Mieter betrifft. Bestrebungen, die Lage zu verbessern, sind zwar vorhanden; beispielsweise werden nun Leitlinien in mehreren Sprachen herausgegeben, um ausländische potentielle Mieter besser zu informieren und Missverständnissen vorzubeugen. Aber die großen Vorbehalte in den Köpfen der Menschen werden kaum durch gutes Zureden zu beseitigen sein.

Quelle:

‘No foreign tenants’ — and not much you can do about it

Kopfweh für Kalenderherausgeber

Japans Kaiser Akihito gab vor einiger Zeit öffentlich bekannt, den Rücktritt von seinem Amt in Betracht zu ziehen. Während die Mehrheit der Bevölkerung dafür Verständnis aufbringt, kritisierten konservative Stimmen diese Absicht als Verstoß gegen das Hofprotokoll. Denn normalerweise endet eine Kaiserschaft mit dem Tod des Throninhabers. Nachfolger kann nur ein männlicher Nachkomme des Kaisers, also ein Sohn oder ein Enkel, werden. Kaiserinnen sind nicht vorgesehen, obgleich es bereits Debatten über eine Änderung dieser Regel gab. Nach aktuellem Protokoll verlieren weibliche Mitglieder sogar ihre Zugehörigkeit zum Hof, sobald sie heiraten.

Für den gegenwärtigen Kaiser, der aus gesundheitlichen Gründen abdanken möchte, wird eigens eine Ausnahmeregelung geschaffen. Eine dauerhafte Änderung kommt für die japanische Regierung um den konservativen Premierminister Shinzou Abe vorerst nicht in Frage.

Doch nicht nur in der Bevölkerung und unter Politikern sorgen die Pläne Kaiser Akihitos für Aufregung. Eine Gruppe, für die eine schnelle und eindeutige Regelung sehr wichtig ist, sind die Herausgeber japanischer Kalender.

Denn in Japan spielt neben der westlichen Zeitzählung nach dem gregorianischen Kalender nach wie vor der traditionelle Kalender eine bedeutende Rolle. Dabei werden die Jahre nach ihrer Reihenfolge innerhalb einer Herrscherära benannt. Mit der Thronbesteigung eines neuen Kaisers bricht zugleich eine neue Ära an, die unter einem vorher festgesetzten Motto steht. Beispielsweise befinden wir uns nun (2017) im Jahr Heisei 29, da Kaiser Akihito seine Regentschaft im Jahr 1989 begonnen hat (Heisei 1).

Die Herausgeber japanischer Kalender drängen nun die Regierung, möglichst schnell über den Namen der neuen Regentschaftszeit zu beraten, der für gewöhnlich aus zwei chinesischen Schriftzeichen zusammengesetzt ist. Andernfalls könnten sie in große finanzielle Probleme geraten, da Produktionspläne geändert und hohe Kosten für die Auslagerung von Aufgaben anfallen würden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird der jetzige Kaiser im Dezember 2018 alle seine Verpflichtungen an seinen Sohn Naruhito abgeben, sodass mit dem 1. Januar 2019 die neue Regentschaft anbricht. Demzufolge, so die Vertreter der Kalenderherausgeber, wäre eine Entscheidung über den Namen bis zum kommenden Januar äußerst wünschenswert. 

 

Quellen:

Big headache for calendar publishers if new emperor’s era name announcement delayed

 

Veraltetes Sexualstrafrecht kommt in Bewegung

Erstmals seit der Einführung des Strafgesetzbuchs im Jahr 1907 wird die Strafe für sexuellen Missbrauch und Vergewaltigung und die Definition solcher Taten angepasst. Diese Überarbeitung wurde maßgeblich von der ehemaligen Justizministerin Midori Matsushima vorangetrieben. Besonders bestürzt war sie von der Tatsache, dass Raub zum Teil härtere Strafen nach sich zieht, als eine Vergewaltigung.

Die minimale Strafe für eine Vergewaltigung beträgt gegenwärtig drei Jahre. Zieht die Tat ernsthafte Verletzungen oder gar den Tod des Opfers nach sich, ist selbst dann eine Mindeststrafe von fünf Jahren möglich. Demgegenüber beträgt die minimale Strafe für einen Raubüberfall fünf Jahre und für einen Raubüberfall mit ernsthaften Verletzungen oder Todesfolge sechs Jahre.

Die bevorstehende Änderung betrifft zunächst die Definition von Vergewaltigung. Nicht bloß erzwungener vaginaler Geschlechtsverkehr soll nun als Vergewaltigung anerkannt werden, sondern auch erzwungene orale und anale Praktiken fallen künftig darunter. Dies ermöglicht, dass auch Männer als Opfer anerkannt werden und Frauen als Täter in Frage kommen. Darüber hinaus soll der herkömmlichen Ausdruck für Vergewaltigung „gokan“ durch einen anderen Ausdruck ersetzt werden, da „gokan“ eine Tat impliziert, in der Frauen stets die Opfer sind. Weiterhin wird es nicht mehr zwingend erforderlich sein, dass das Opfer selbst die Tat zur Anzeige bringt. Auch Dritte können Anzeige erstatten, was die große psychologische Belastung für Opfer reduzieren kann. Zudem soll die Mindeststrafe für Vergewaltigung auf fünf Jahre angehoben werden.

Hinzu kommt ein neuer Straftatbestand für Erziehungsberechtigte, die ihre Schutzbefohlenen missbrauchen. Dadurch wird die strafrechtliche Verfolgung von Taten gegen Kinder und Jugendliche durch Eltern vereinfacht. In diesen Fällen ist es zudem nicht mehr nötig, die Anwendung von Gewalt und Zwang bei der Tat nachzuweisen. Zu bemänglen bleibt jedoch, dass diese Ausweitung nicht auf weitere Erwachsene im näheren Umfeld der Kinder, wie zum Beispiel Verwandte, Lehrer oder Trainer, anzuwenden ist.

Umstritten bleibt die generelle Regelung, dass nur dann von Vergewaltigung oder sexueller Nötigung gesprochen wird, wenn der Täter den Widerstand des Opfers mit „Gewalt und Drohung“ überwindet. An diesem Punkt ist zu kritisieren, dass in der Realität die Opfer oftmals unter Schock stehen oder aus Angst keine Versuche unternehmen, den Übergriff abzuwenden.

Die längst überfällige Revision des Sexualstrafrechts weist auf einen Wandel in Bezug auf überholte Wertmaßstäbe hin. Die bisherige Gesetzeslage versuchte lediglich, den Raub der „Reinheit“ der Frau, die durch vaginalen erzwungenen Sex genommen wird, zu bestrafen. Nun soll die Würde der Opfer und die Bedeutung ihrer Menschenrecht mehr in den Mittelpunkt gerückt werden. Japan ist auf einem guten Weg in die richtige Richtung. Die Veränderungen zeigen, dass die alten Gesetze als unzureichend angesehen werden.

http://www.japantimes.co.jp/news/2017/03/06/reference/revisions-seek-bring-japans-archaic-sex-crime-laws-modern-era/#.WL_IZ2YiyUk

Der Skandal um die Moritomo-Grundschule (2)

Der Skandal um Moritomo Gakuen, ihren Vorsitzenden Yasunori Kagoike und die Verwicklungen der LDP um Shinzo Abe in die Sache geht in die nächste Runde. Wie es scheint, gibt es nicht nur Unstimmigkeiten in Bezug auf den Grundstückspreis der neu gebauten Grundschule, auch die Summen, die zwischen der Baufirma geflossen sind und die Moritomo Gakuen ausgegeben haben will, unterscheiden sich beträchtlich. Während Moritomo von Kosten in Höhe von etwa 2 Billionen Yen spricht, ist tatsächlich nur ein Drittel dieses Preises mit der Baufirma ausgemacht worden. Aufgrund der unklaren Lage hat der Gouverneur der Präfektur Osaka die Eröffnung der Schule erst einmal auf Eis gelegt. Er besteht auf einer weiteren Untersuchung und Aufklärung.

Zugleich lehnt die LDP die Forderung der Opposition ab, Herrn Kagoike als unvereidigten Zeugen im Parlament zu befragen. Ihrer Meinung nach ist es nicht angebracht, eine Privatperson, der zunächst kein Vergehen nachgewiesen worden ist, im Parlament zu verhören. Derweil hat selbst Premierminister Abe einräumen müssen, dass die Regierung nicht in der Lage ist, die Angelegenheit zufriedenstellend aufzuklären. Die Notwendigkeit einer umfassenden Klärung steigt mit dem nationalen Druck und dem zunehmenden internationale Interesse an der Geschichte.

Des Weiteren besteht die Opposition darauf, Verantwortliche des Finanzministeriums anzuhören, die in den Ablauf des Verkaufs involviert waren. Sie sollen erklären, wie es zu der Reduzierung des ursprünglich veranschlagten Grundstückspreises von etwa 956 Millionen Yen auf 134 Millionen Yen kommen konnte.

Auch die Rolle, die Akie Abe in dieser Sache spielt, wird weiter heftig debattiert. Während ihr Mann darauf besteht, dass sie als Privatperson den Kindergarten der Moritomo Gruppe besucht und dort eine Rede gehalten hat, stellen andere Politiker dies infrage, da sie dabei auch von Beamten der Regierung begleitet wurde. Außerdem wurde sie dort in ihrer Rolle als Frau des Premierministers angekündigt und dies kann durchaus als öffentliches Amt betrachtet werden.

http://www.japantimes.co.jp/news/2017/03/07/national/moritomo-gakuen-seen-telling-state-school-cost-three-times-build-claimed-contract/#.WL_JQWYiyUk

http://digital.asahi.com/articles/ASK374W4PK37UTFK00L.html?_requesturl=articles%2FASK374W4PK37UTFK00L.html&rm=779