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Vor einigen Monaten ist es ein wenig still geworden um Tokiobanana. Grund dafür war meine intensive Vorbereitung auf ein Leben als selbstständige Übersetzerin. Ab Mai gehe ich jetzt offiziell unter dem Namen Hermes Übersetzungen als Übersetzerin für Englisch, Japanisch und Französisch an den Start.

Nun sind alle Steine ins Rollen gebracht, wie man so schön sagt. Deshalb bietet sich endlich mal wieder Zeit und Gelegenheit, den Blick von Anträgen und Formularen weg, hin zu Geschehnissen in Japan zu richten. Wie ja allgemein bekannt sein dürfte, befinden wir uns inzwischen nicht mehr in der Heisei-Zeit, sondern sind in der Reiwa-Zeit angekommen. Die heißen Diskussionen um die Bedeutung des Namens sowie die allgemeine Notwendigkeit des Kaisers und der Monarchie überhaupt überspringe ich mal an dieser Stelle. Interessant fand ich hingegen eine Reihe von Berichten aus der Asahi Shimbun, die sich retrospektiv mit Phänomen der vergangenen Ära auseinandersetzt.

Darunter ein Artikel über die sogenannte blumā.

Als Kind der 90er sind diverse japanische Serien über den heimischen Bildschirm geflackert. Darunter natürlich auch Mila Superstar, im englischen Sprachraum als Attack No. 1 bekannt. Ich mochte die Serie sehr gern, die Mädchen waren stark und gaben nie auf. Einige meiner Freundinnen sind durch sie zu begeisterten Volleyballerinen geworden und die deutsche Titelmelodie kann ich noch immer auswendig.

Aus heutiger Sicht ist die Serie oft übertrieben brutal – denken wir an die Ketten beim Training oder das nicht endende Spiel, obwohl der Freund gerade tödlich verunglückt ist. Auffällig war aber auch, dass Mila und Co. ca. 95 % der Zeit in Unterhosen Sport trieben – jedenfalls sah es danach aus.

Durch die Asahi wurde ich belehrt, dass dieses Sportkleidungsstück historisch und nicht nur fantastisch ist. Die Zeitung ging der Geschichte und vor allem dem Untergang der sogenannten blumā auf den Grund.

Ursprünglich diente die blumā dazu, es Frauen und Mädchen zu ermöglichen, die sonst in Kimono oder Hakama gekleidet waren, vernünftig Sport zu treiben. Eigentlich also ein guter Ansatz. Anlässlich der Olympischen Spiele von 1964 in Tokyo hielt es der Sportbund der Mittelschulen ganz Japans es für eine gute Idee, durch Verwendung der blumā zudem „der Schönheit des weiblichen Körpers“ mehr Anerkennung zu geben. Hersteller für Schulkleidung stiegen groß in das Geschäft mit der weiblichen Sportausstattung ein. Anzumerken ist, dass es nie eine offizielle Richtlinie des zuständigen Ministeriums zur Einführung an den Schulen gegeben hat.

Widerstand gegen die spärliche Bekleidung beim Schulsport kam erst 1993 auf. Dies auch nicht in Japan, sondern an einer japanischen Schule in Singapur, wo sich Schülerinnen weigerten, die blumā zu tragen, da sie sich dadurch entblößt fühlten. Der Protest wurde in Japan bekannt und führte dazu, dass Mädchen und auch Mütter vermehrt ihr Unbehagen in Verbindung mit diesem Kleidungsstück äußerten. Ihre Abneigung und das Gefühl der sexuellen Diskriminierung war nicht unbegründet; zum einen kam es immer wieder vor, dass die Mini-Sporthose in belebten Einkaufsstraßen oder bei anderen Gelegenheiten geklaut wurde. Zum anderen wurden gebrauchte blumā in einschlägigen Geschäften an zahlende Kundschaft verkauft.

Das Bewusstsein für die Problematik und der Widerstand nahmen langsam zu. Als Schülerinnen des 3. Jahres Mittelschule (also ca. 15 Jahre alt) einer Schule in Tochigi im Rahmen eines Schulausflugs zum Gericht einen Richter darauf ansprachen, ob das ganze denn nicht aus menschenrechtlichen Gründen problematisch sei, stimmte dieser ihnen zu. Dennoch schaffte die Schule in Tochigi die blumā erst nach dem Abschluss der Schülerinnen ab. Heute werden dort im Sportunterricht – wie fast überall in Japan – kurze Hosen getragen, die in etwa bis zum Knie reichen.

Der wachsende gesellschaftliche Widerstand gegen den Zwang zur blumā an Schulen hat schließlich dazu geführt, dass das Kleidungsstück seit 2013 nicht mehr zu bekommen ist.

Aus heutiger Sicht greift ein so freizügiges und vor allem aufgezwungenes Kleidungsstück in die Rechte der Kinder ein. Laut UN-Kinderrechtskonvention sind in dem Fall Paragraph 16 (Recht auf Privatsphäre) und Paragraph 34 (Schutz vor sexueller Ausbeutung und Misshandlung) betroffen. Japanische Mitglieder der Vereinigung „Rechte der Kinder“ bewerten auch den Zwang zum Tragen von Röcken kritisch, da hier ebenfalls in die Selbstbestimmung und die Darstellung der Sexualität des Kindes bzw. der Minderjährigen eingegriffen wird.

In einigen Regionen Japans, unter anderem in Fukuoka und Bereichen der Präfektur Tokyo, gibt es aktuell Bestrebungen, das Tragen von Hosen für alle Schülerinnen und Schüler zu ermöglichen. Gut so.

Quelle:

https://digital.asahi.com/articles/ASM4Q6SG2M4QUTIL076.html?_requesturl=articles%2FASM4Q6SG2M4QUTIL076.html&rm=652

 

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