Mädchenpower oder doch nur Hausfrauentugenden?

Üblicherweise besuchen Schüler in Japan zunächst die öffentlichen Grundschulen. Danach steht die Wahl zwischen öffentlichen oder privaten weiterführenden Schulen an. Unter letzeren gibt es viele, die reine Jungen- oder Mädchenschulen sind. Seit einigen Jahren ist bei privaten Mädchenschulen der Audruck „Mädchenpower“ ganz groß in Mode. Was genau das bedeuten soll, haben sich zwei Autorinnen der Asahi Shimbun angesehen.

Die Aussagen auf unterschiedlichen Homepages oder von Schulvertretern gehen in diese Richtung: Eine Föderung der Mädchenpower ist nötig, um eine selbstständige Frau mit einer klaren Vorstellung von der Zukunft zu werden. Auf diese Kraft, die man während der Zeit an der Mädchenschule fern von den Jungs erworben hat, kann man sich dann als erwachsene Frau verlassen. „Wir vermitteln ihnen“, so ein Konrektor einer Mädchenschule, „,wie es dem guten Benehmen entspricht, gute schulische Leistungsfähigkeit, Denkvermögen und Ausdrucksstärke.“ Dazu kann man ihm zufolge keine Jungen mit selben Gebäude gebrauchen, denn die Entwicklung dieser Mädchenpower wird durch „beliebte und umschwärmte Jungs“ behindert. Deswegen braucht es eine geschützte Umgebung und ein Unterstützungssystem für die Mädchen. Wo das am Ende hinführt, kann man sich auf der Homepage der Frauenuniversität, zu der diese Schule gehört, durchlesen „The spirit of harmony encompasses the ideal of instructing young women in the morality and etiquette of a successfully socialized individual and future mother, nurturing within them a compassion for others.“ Ach so, natürlich, die perfekte Mutter als Hort der Moral und Etiquette.

Eine weitere Schule, die sowohl Mädchen als auch Jungen annimmt, diese aber getrennt unterrichtet, bringt dafür ähnlich befremdliche Argumente. Demnach haben Mädchen vielleicht die gleichen Fähigkeiten, aber da sie in der Gesellschaft als Frauen gegenwärtig immer untere Ränge einnehmen, muss man sie von den Jungen trennen und gesondert fördern. Sind Mädchen ein Fall für Sonderpädagogen?

Was noch nachdenklicher stimmt, ist der unterschiedliche Anspruch an Mädchen und Jungen. Während Mädchen besagte Mädchenpower, die gutes Benehmen und Empathie miteinschließt, erlangen sollen, heißt es bei den Jungs, dass sie Persönlichkeit und Stärke entwickeln müssen. Im Original werden folgende Ausdrücke verwendet 「女子力」für die Mädchenpower und für die Jungs 「人間力」. Während 「女子」Mädchen / junge Frau bedeutet, heißt 「人間」Mensch/ Person. Das letzte Zeichen heißt „Kraft, Fähigkeit, Stärke“. Ist es nicht komisch, dass Jungen zu Menschen und Persönlichkeiten werden, während Mädchen einfach nur ein bisschen Mädchenpower brauchen und aufpassen müssen, dass die Jungs ihnen diese druch Ablenkung nicht wegnehmen?

Diese Art der Mädchenpower scheint doch recht verstaubt zu sein. Statt  Anpassung an gesellschaftliche Normen durch gute Manieren und eine gepflegte Ausdrucksweise zu predigen, sollten eher gesellschaftliche Hürden und Barrieren auf dem Arbeitmarkt für Frauen abgebaut werden. Ein Schritt dazu wäre auch die Abkehr einer Trennung nach Geschlecht im Bildungssystem. Aber als Privatschule muss man sich ja Argumente einfallen lassen. Da hört sich das Gerede von der Mädchenpower einfach ganz nett an.

Ich halte das Konzept der geschlechtergetrennten Schulen an sich für überholt und rückschrittlich. Es gibt für mich (so gut wie) kein einleuchtendes Argument, wieso man Mädchen und Jungen getrennt ausbilden sollte. Natürlich gibt es Streit und Konkurrenz, aber das gibt es auch an reinen Mädchenschulen (ich spreche da aus persönlicher Erfahrung). Es schadet nicht, sich im Unterricht auch mit den Mitgliedern des anderen biologischen Geschlechts auseinanderzusetzen, zusammenzuarbeiten und zu diskutieren. Im Gegenteil, in der „normalen“ Welt ist das Leben in einer Jungs/Männerfreien Zone bzw. Mädchen/Frauenfreine Zone in den seltensten Fällen umsetzbar. Und wieso auch? Die anderen 50% der Menschheit sind weder Aliens noch Feinde. Es sind Mitmenschen.

http://www.seitoku.jp/gakuen/foreign_language/english/about/index.html

http://digital.asahi.com/articles/ASJDW5RDYJDWUTIL02N.html?_requesturl=articles%2FASJDW5RDYJDWUTIL02N.html&rm=449

Gerücht mit einer Prise Wahrheit

Relativ hartnäckig hält sich in reißerischen (meist englischsprachigen) Beiträgen  die Behauptung, dass es in Japan illegal sei, fettleibig zu sein. Das ist natürlich so nicht der Fall.

Japan ist eine Nation, in der sehr viel Wert auf Gesundheit und gesunde Ernährung gelegt wird. Der soziale Druck zum Dünnsein ist ziemlich hoch. Auf vielerlei Weise wird man mehr oder weniger liebevoll darauf aufmerksam gemacht, dass man wohl ein wenig zu viel Speck angesetzt habe (Erfahrungsbericht: https://www.youtube.com/watch?v=wwH3rA8Evow ). Dabei gibt es kaum übergewichtige Menschen in Japan und nur 3,5 % der Bevölkerung gilt als fettleibig.

Getrost lässt sich also sagen, dass Fettleibigkeit eines der geringen Probleme der japanischen Bevölkerung ist. Dennoch gibt es seit 2008 ein umstrittenes Gesetz, dass alle Menschen zwischen 40 und 74 Jahren dazu aufruft, sich einmal jährlich vermessen zu lassen. Für Männer gilt ein Wert von bis zu etwa 85 cm und Frauen bis zu 90 cm als normaler Taillenumfang. Liegen sie darüber, gibt es erstmal keine direkten Konsequenzen. Aber sie werden dann Ziel von Aufklärungskampagnen und Ernährungskursen, denn die einzelnen Gemeinden oder auch Firmen können von staatlicher Seite zur Verantwortung gezogen werden, wenn ein zu hoher Anteil der untersuchten Menschen als fettleibig gilt. Der soziale Druck, noch mehr auf die Figur zu achten, steigt somit weiter. Auch die tatsächliche Wirksamkeit des Gesetzes ist fragwürdig.

Die einzige vernünftige Reaktion ist meiner Meinung nach, diesen Unsinn einfach nicht mitzumachen und den Aufruf getrost zu ignorieren, wenn es denn möglich ist. Manchmal geht die staatliche Fürsorge und der Wunsch im Gesundheitssystem zu sparen zu weit in die falsche Richtung.

Auch als Austauschstudentin sollte ich zu Beginn meiner zwei Semester an der Uni einen Gesundheitscheck durchlaufen. Krankenversichert war ich natürlich so oder so. Und da ich keine Lust hatte, unbekannten Gesundheitsbeamten ohne Notwendigkeit über die Regelmäßigkeit oder Unregelmäßigkeit meiner Menstruation aufzuklären, bin ich schlicht nicht hingegangen. Es schien mir als unverhältnismäßige Einmischung in meine Privatangelegenheiten. Hab’s überlebt.