Erstmals seit der Einführung des Strafgesetzbuchs im Jahr 1907 wird die Strafe für sexuellen Missbrauch und Vergewaltigung und die Definition solcher Taten angepasst. Diese Überarbeitung wurde maßgeblich von der ehemaligen Justizministerin Midori Matsushima vorangetrieben. Besonders bestürzt war sie von der Tatsache, dass Raub zum Teil härtere Strafen nach sich zieht, als eine Vergewaltigung.
Die minimale Strafe für eine Vergewaltigung beträgt gegenwärtig drei Jahre. Zieht die Tat ernsthafte Verletzungen oder gar den Tod des Opfers nach sich, ist selbst dann eine Mindeststrafe von fünf Jahren möglich. Demgegenüber beträgt die minimale Strafe für einen Raubüberfall fünf Jahre und für einen Raubüberfall mit ernsthaften Verletzungen oder Todesfolge sechs Jahre.
Die bevorstehende Änderung betrifft zunächst die Definition von Vergewaltigung. Nicht bloß erzwungener vaginaler Geschlechtsverkehr soll nun als Vergewaltigung anerkannt werden, sondern auch erzwungene orale und anale Praktiken fallen künftig darunter. Dies ermöglicht, dass auch Männer als Opfer anerkannt werden und Frauen als Täter in Frage kommen. Darüber hinaus soll der herkömmlichen Ausdruck für Vergewaltigung „gokan“ durch einen anderen Ausdruck ersetzt werden, da „gokan“ eine Tat impliziert, in der Frauen stets die Opfer sind. Weiterhin wird es nicht mehr zwingend erforderlich sein, dass das Opfer selbst die Tat zur Anzeige bringt. Auch Dritte können Anzeige erstatten, was die große psychologische Belastung für Opfer reduzieren kann. Zudem soll die Mindeststrafe für Vergewaltigung auf fünf Jahre angehoben werden.
Hinzu kommt ein neuer Straftatbestand für Erziehungsberechtigte, die ihre Schutzbefohlenen missbrauchen. Dadurch wird die strafrechtliche Verfolgung von Taten gegen Kinder und Jugendliche durch Eltern vereinfacht. In diesen Fällen ist es zudem nicht mehr nötig, die Anwendung von Gewalt und Zwang bei der Tat nachzuweisen. Zu bemänglen bleibt jedoch, dass diese Ausweitung nicht auf weitere Erwachsene im näheren Umfeld der Kinder, wie zum Beispiel Verwandte, Lehrer oder Trainer, anzuwenden ist.
Umstritten bleibt die generelle Regelung, dass nur dann von Vergewaltigung oder sexueller Nötigung gesprochen wird, wenn der Täter den Widerstand des Opfers mit „Gewalt und Drohung“ überwindet. An diesem Punkt ist zu kritisieren, dass in der Realität die Opfer oftmals unter Schock stehen oder aus Angst keine Versuche unternehmen, den Übergriff abzuwenden.
Die längst überfällige Revision des Sexualstrafrechts weist auf einen Wandel in Bezug auf überholte Wertmaßstäbe hin. Die bisherige Gesetzeslage versuchte lediglich, den Raub der „Reinheit“ der Frau, die durch vaginalen erzwungenen Sex genommen wird, zu bestrafen. Nun soll die Würde der Opfer und die Bedeutung ihrer Menschenrecht mehr in den Mittelpunkt gerückt werden. Japan ist auf einem guten Weg in die richtige Richtung. Die Veränderungen zeigen, dass die alten Gesetze als unzureichend angesehen werden.