Japan zieht nach

Endlich tut sich ein wenig in Sachen Umweltschutz in Japan. Konkret ins Visier geraten sind die Plastiktüten, die es bisher für jedes noch so kleine Teil ungefragt an der Kasse mit dazugibt. Oftmals gehört es noch zum guten Service, die Sachen auch direkt für den Kunden in Plastiktüten zu verpacken. Damit wird in dieser Form nun Schluss sein; die Plastiktüten sind bald nur gegen geringen Zuschlag erhältlich. Auf diese Weise wird dem Wegwerfplastik auch in Japan der Kampf angesagt.

Besagte Plastiktüten nun kostenpflichtig zu machen, ist eine konkrete Maßnahme aus einem hastig zusammengeschusterten Plan für einen gelingenden Kunststoffkreislauf. Der Druck auf die japanische Regierung wächst momentan, vor allem angesichts der Tatsache, dass die Stadt Osaka im Juni Treffpunkt der G20 sein wird. Unter den Diskussionsthemen der Staats- und Regierungschefs der bedeutendsten Industrie- und Schwellenländer findet sich auch der Punkt „Verschmutzung der Meere durch Plastikmüll“.

Ausgerechnet bei diesem Thema hat Japan sich in der Vergangenheit nicht mit Ruhm bekleckert. Erinnern wir uns an das Treffen der G7 im letzten Jahr in Kanada: Gemeinsam mit den USA weigerte sich Japan, Verpflichtungen jeglicher Art im Hinblick auf Verschmutzung der Meere durch Plastikmüll einzugehen. Alle übrigen Teilnehmer des Gipfeltreffens unterzeichneten die sogenannte Charta zur Vermeidung von Plastikmüll in den Meeren. Auf Kritik aus dem In- und Ausland hieß es damals, Japan könne die Auswirkungen solcher Verpflichtungen auf das Leben der Bürger und die Industrie nicht absehen.

Scheinbar kann man dies nun doch. Oder Japan ist sich der peinlichen Lage bewusst, Gastgeber einer solchen Veranstaltung zu sein und selber (noch) nicht als vorbildliches Beispiel gelten zu können. Daher wohl diese Panik und das Prestigeobjekt Plastiktüte.

Zusammengetrommelte Experten haben im März einen Entwurf mit hochgesteckten Zielen vorgelegt, die teilweise über die Ziele aus der Charta zur Vermeidung von Plastikmüll hinausgehen. Statt 55 % (wie in der Charta vorgesehen) soll in Japan der Anteil an genutztem Plastik, das wiederverwertet oder recycelt wird, bis zum Jahr 2030 60 % betragen. Außerdem will Japan 5 Jahre vor den Unterzeichnern der Charta 100 % des genutzten Plastiks, einschließlich durch Wärmerückgewinnung, effektiv nutzen. Emissionen durch Wegwerfplastik sollen um 25 % gesenkt werden. Na dann gutes Gelingen.

Übrigens ist die Idee, Geld für die Plastiktüten zu nehmen, auch in Japan nicht neu. Schon 2006 wurde ein solcher Schritt gefordert, der aber am Widerstand der kleinen Kombinis und der großen Warenhäuser scheiterte.

 

Quellen:

https://digital.asahi.com/articles/DA3S13984887.html?_requesturl=articles%2FDA3S13984887.html&rm=150https://de.reuters.com/article/g7-gipfel-plastik-idDEKBN1J70L9

Melde mich zurück

Vor einigen Monaten ist es ein wenig still geworden um Tokiobanana. Grund dafür war meine intensive Vorbereitung auf ein Leben als selbstständige Übersetzerin. Ab Mai gehe ich jetzt offiziell unter dem Namen Hermes Übersetzungen als Übersetzerin für Englisch, Japanisch und Französisch an den Start.

Nun sind alle Steine ins Rollen gebracht, wie man so schön sagt. Deshalb bietet sich endlich mal wieder Zeit und Gelegenheit, den Blick von Anträgen und Formularen weg, hin zu Geschehnissen in Japan zu richten. Wie ja allgemein bekannt sein dürfte, befinden wir uns inzwischen nicht mehr in der Heisei-Zeit, sondern sind in der Reiwa-Zeit angekommen. Die heißen Diskussionen um die Bedeutung des Namens sowie die allgemeine Notwendigkeit des Kaisers und der Monarchie überhaupt überspringe ich mal an dieser Stelle. Interessant fand ich hingegen eine Reihe von Berichten aus der Asahi Shimbun, die sich retrospektiv mit Phänomen der vergangenen Ära auseinandersetzt.

Darunter ein Artikel über die sogenannte blumā.

Als Kind der 90er sind diverse japanische Serien über den heimischen Bildschirm geflackert. Darunter natürlich auch Mila Superstar, im englischen Sprachraum als Attack No. 1 bekannt. Ich mochte die Serie sehr gern, die Mädchen waren stark und gaben nie auf. Einige meiner Freundinnen sind durch sie zu begeisterten Volleyballerinen geworden und die deutsche Titelmelodie kann ich noch immer auswendig.

Aus heutiger Sicht ist die Serie oft übertrieben brutal – denken wir an die Ketten beim Training oder das nicht endende Spiel, obwohl der Freund gerade tödlich verunglückt ist. Auffällig war aber auch, dass Mila und Co. ca. 95 % der Zeit in Unterhosen Sport trieben – jedenfalls sah es danach aus.

Durch die Asahi wurde ich belehrt, dass dieses Sportkleidungsstück historisch und nicht nur fantastisch ist. Die Zeitung ging der Geschichte und vor allem dem Untergang der sogenannten blumā auf den Grund.

Ursprünglich diente die blumā dazu, es Frauen und Mädchen zu ermöglichen, die sonst in Kimono oder Hakama gekleidet waren, vernünftig Sport zu treiben. Eigentlich also ein guter Ansatz. Anlässlich der Olympischen Spiele von 1964 in Tokyo hielt es der Sportbund der Mittelschulen ganz Japans es für eine gute Idee, durch Verwendung der blumā zudem „der Schönheit des weiblichen Körpers“ mehr Anerkennung zu geben. Hersteller für Schulkleidung stiegen groß in das Geschäft mit der weiblichen Sportausstattung ein. Anzumerken ist, dass es nie eine offizielle Richtlinie des zuständigen Ministeriums zur Einführung an den Schulen gegeben hat.

Widerstand gegen die spärliche Bekleidung beim Schulsport kam erst 1993 auf. Dies auch nicht in Japan, sondern an einer japanischen Schule in Singapur, wo sich Schülerinnen weigerten, die blumā zu tragen, da sie sich dadurch entblößt fühlten. Der Protest wurde in Japan bekannt und führte dazu, dass Mädchen und auch Mütter vermehrt ihr Unbehagen in Verbindung mit diesem Kleidungsstück äußerten. Ihre Abneigung und das Gefühl der sexuellen Diskriminierung war nicht unbegründet; zum einen kam es immer wieder vor, dass die Mini-Sporthose in belebten Einkaufsstraßen oder bei anderen Gelegenheiten geklaut wurde. Zum anderen wurden gebrauchte blumā in einschlägigen Geschäften an zahlende Kundschaft verkauft.

Das Bewusstsein für die Problematik und der Widerstand nahmen langsam zu. Als Schülerinnen des 3. Jahres Mittelschule (also ca. 15 Jahre alt) einer Schule in Tochigi im Rahmen eines Schulausflugs zum Gericht einen Richter darauf ansprachen, ob das ganze denn nicht aus menschenrechtlichen Gründen problematisch sei, stimmte dieser ihnen zu. Dennoch schaffte die Schule in Tochigi die blumā erst nach dem Abschluss der Schülerinnen ab. Heute werden dort im Sportunterricht – wie fast überall in Japan – kurze Hosen getragen, die in etwa bis zum Knie reichen.

Der wachsende gesellschaftliche Widerstand gegen den Zwang zur blumā an Schulen hat schließlich dazu geführt, dass das Kleidungsstück seit 2013 nicht mehr zu bekommen ist.

Aus heutiger Sicht greift ein so freizügiges und vor allem aufgezwungenes Kleidungsstück in die Rechte der Kinder ein. Laut UN-Kinderrechtskonvention sind in dem Fall Paragraph 16 (Recht auf Privatsphäre) und Paragraph 34 (Schutz vor sexueller Ausbeutung und Misshandlung) betroffen. Japanische Mitglieder der Vereinigung „Rechte der Kinder“ bewerten auch den Zwang zum Tragen von Röcken kritisch, da hier ebenfalls in die Selbstbestimmung und die Darstellung der Sexualität des Kindes bzw. der Minderjährigen eingegriffen wird.

In einigen Regionen Japans, unter anderem in Fukuoka und Bereichen der Präfektur Tokyo, gibt es aktuell Bestrebungen, das Tragen von Hosen für alle Schülerinnen und Schüler zu ermöglichen. Gut so.

Quelle:

https://digital.asahi.com/articles/ASM4Q6SG2M4QUTIL076.html?_requesturl=articles%2FASM4Q6SG2M4QUTIL076.html&rm=652