Das japanische Sozialsystem hält einige Mechanismen bereit, die Minderjährige schützen und Familien in schwierigen Situationen unterstützen sollen. Während meines Studiums und Aufenthalts in Japan habe ich mich genauer mit diesem Bereich befasst und möchte einen kurzen Überblick über die wichtigsten Einrichtungen geben.
Die erste Anlaufstelle für Familien mit Problemen, bei Erziehungsfragen oder bei Verdacht auf Misshandlung von Kindern ist die sogenannte jidō sōdanjo. Wörtlich übersetzt hieße dies „Kinderberatungsstelle“; da diese Behörde aber Ratschläge und Hilfe zum Umgang mit Kindern und Jugendlichen anbieten, statt sich direkt an Kinder zu richten, ist „Erziehungsberatungsstelle“ hier die passendere Übersetzung.
Gesetzlichen Vorgaben entsprechend gibt es in jeder Präfektur und jeder designierten Stadt Japans eine Erziehungsberatungsstelle. Sie sind nicht nur in der Lage, Familien zu unterstützen und Hilfe in Erziehungsfragen zu geben, sondern auch befugt, Untersuchungen von Haushalten einzuleiten und Familiengerichte einzuschalten. Die Erziehungsberatungsstellen nehmen zudem Hinweise zu Misshandlungen entgegen und gehen dem nach. Darüber hinaus liegt die praktische Entscheidung einer Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in sozialen Einrichtungen bei ihnen.
Die Aufgaben und Befugnisse sind also durchaus vergleichbar mit denen des deutschen Jugendamts. Ein wesentlicher Unterschied liegt darin, dass die Positionen in der Erziehungsberatungsstelle oft von Verwaltungsbeamten besetzt werden, die nach einigen Jahren eine andere Stelle übernehmen. Dadurch herrscht viel Fluktuation und es mangelt oft an sozialpädagogischem Wissen, das gerade in diesem Bereich nötig wäre.
Die wichtigsten Einrichtungen der Kinder- und Jugendfürsorge in Japan sind Säuglingsheime, Mutter-Kind-Heime, Erziehungsheime und Kinderheime.
In den Säuglingsheimen (nyūjiin) werden Säuglinge und Kleinkinder bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres aufgenommen. Die Mutter-Kind-Heime (boshiryō) nehmen alleinerziehende Mütter mit ihren Kindern auf, wenn sich die Familie in einer finanziell prekären Situation befindet oder Fälle häuslicher Gewalt vorliegen. Sie können in den Einrichtungen leben, bis das jüngste Kind für ausreichend selbstständig und erwachsen befunden wird. Vergleichbare Einrichtungen für alleinerziehende Väter lassen sich im Übrigen an einer Hand abzählen. Des Weiteren gibt es Erziehungsheime (kyōgoin), die Kinder und Jugendliche aufnehmen, welche Straftaten verschiedenster Art begangen haben. Bemerkenswert ist, dass auch Minderjährige hier aufgenommen werden, bei denen die bloße Befürchtung besteht, sie könnten aufgrund eines schlechten Umganges oder familiärer Schwierigkeiten zu Straftaten verleitet werden.
Ein Großteil der Kinder- und Jugendlichen in staatlicher Obhut lebt in den jidō yōgoshisetsu, den Kinderheimen. Nur in den seltensten Fällen handelt es sich bei ihnen um Waisen im eigentlichen Sinne. Meist sind die Eltern nicht in der Lage, sich um die Kinder zu kümmern, sei es aufgrund von Krankheit oder Armut; oder die Minderjährigen sind Opfer von Gewalt und Vernachlässigung geworden und zu ihrem eigenen Schutz an das Heim übergeben worden.
Dies sind die klassischen Einrichtungen, die für den Schutz von Kindern und Jugendlichen sorgen sollen. Daneben sind Adoption und Unterbringung bei Pflegeeltern auch in Japan eine Möglichkeit. Diese Optionen spielten lange Zeit eher eine untergeordnete Rolle. Doch sowohl von Seiten der japanischen Regierung als auch durch Bestrebungen auf Universitäts-/Forschungsebene zeichnet sich ein Wandel ab, und die Auffassung, wonach möglichst „familienähnliche“ Strukturen für Kinder generell besser sind, gewinnt an Zulauf. Mehr dazu findet ihr in meinem Beitrag Die Kinder des japanischen Staates.
Ein Gedanke zu „Einrichtungen des Kinder- und Jugendschutzes in Japan“