Ai no mukidashi

Das ist ein Film, der immer wieder Spaß macht. Obwohl mit 237 Minuten ziemlich lang, habe ich ihn schon mehrere Male gesehen.

2008 kam ai no mukidashi unter der Regie von Sion Sono heraus. Die Hauptrollen werden von Takahiro Nishijima (Yu), Hikari Mitsushima (Yoko) und Sakura Ando (Aya) gespielt.

Yu ist Sohn einer katholischen Familie (selten und seltsam). Nachdem die Mutter stirbt, wird sein Vater immer strenger und schließlich Pfarrer. Er verlangt von Yu, jeden Tag zu beichten. Doch Yu ist ein guter Junge, der eigentlich nie Sünden begeht. Sein Vater glaubt ihm nicht, sodass Yu, um den Vater zu provozieren und Aufmerksamkeit zu bekommen, absichtlich Sünden begeht. Gemeinsam mit anderen Tunichtguten beginnt er, Mädchen unter die Röcke zu fotografieren.

Die Jungs werden wahre Experten im „Upskirting“. Als Yu eines Tages eine Wette verliert, muss er in Frauenkleidern durch die Straßen laufen. Er sieht aus wie Sasori (Sasori ist die weibliche Hauptfigur aus einem japanischen Racheepos der 70er Jahre). In dieser Aufmachung trifft er auf Yoko, die sich grade mit einer Bande Jungs anlegt, und verliebt sich sofort in sie. Er hilft ihr, die Jungs in die Flucht zu schlagen. Yoko ist schwer beeindruckt und verliebt sich in ‚Sasori‘.

Da Yokos Wahlmutter (eine Exfreundin ihres Vaters) und Yus Vater ein Paar werden, stoßen die beiden plötzlich auch im Alltag aufeinander. Yoko hegt einen begründeten Hass gegen alle Männer (außer Kurt Cobain). Auch Yu, alias Sasori, ist keine Ausnahme.

Gleichzeitig gerät die Patchworkfamilie ins Visier der ‚Zero Church‘, einer Sekte, die unter anderem jegliche Art von körperlicher Lust hart bestraft. Getarnt als Schulfreundin schleicht sich Sektenanhängerin Aya in die Familie ein. Sie lässt Yoko glauben, sie sei Sasori, und lockt alle außer Yu ins Umerziehungslager.

Eine Rettungsaktion von Yu und seinen Freunden scheitert dramatisch. Schließlich schleust er sich selbst in die Sekte ein, läuft Amok und zündet eine Bombe. Die Öffentlichkeit ist alamiert und die Sekte wird aufgelöst. Yu wird verhaftet und aufgrund der traumatischen Erlebnisse komplett verrückt.

Nachdem sie alles durchschaut hat, will Yoko Yu aus der psychiatrischen Anstalt befreien. Doch der weiß nichts mehr von seinem alten Ich und glaubt, er sei Sasori. Erst im letzten Moment erwacht die Erinnerung an Yoko und die Vergangenheit.

Diesen beeindruckenden Film habe ich 2012 das erste Mal gesehen. Er quillt quasi über an Handlung und kuriosen Ideen. Viele Dinge passieren auf einmal und es ist nicht immer leicht, Schritt mit der Geschichte zu halten. Im Grunde ist es ein ziemlich verrückter Film, der zwar absurd, aber stets unterhaltsam ist.

Eine wichtige Rolle spielt die grundlegende Frage ‚Was ist eigentlich Perversion?‘, ‚Was ist anormal und unmoralisch?‘. Und was passiert, wenn das vermeintlich ‚Perverse‘ unterdrückt und abgelehnt wird?

Da ist zum Beispiel der katholische Priester, der es nicht schafft, das Zölibat zu halten, deshalb einen Schuldkomplex entwickelt und so zum gefundenen Fressen für die Sekte wird.

Dann wird Yu mehrfach und auf verschiedene Weise dafür bestraft, wenn er erregt ist.

Seine Freunde, die Gefallen haben am Fotografieren von Mädchenunterhosen, dürfen diese Perversion nicht nur ausleben, sondern werden dafür auch noch von einer Pornofilmagentur belohnt.

Hinzu kommen weitere Figuren, die die unterschiedlichsten ‚Perversionen‘ mit sich herumtragen und in einer Show öffentlich beichten.

Für mich ist die Botschaft des Films – neben „die Liebe siegt“-, dass nicht alles, was gemeinhin als ‚pervers‘ verschrien ist, dies auch verdient. Im Gegenteil ist es pervers, natürliche Triebe in einem Regelwerk zu unterdrücken. Deshalb steht die Strenge der katholischen Kirche hier auf einer Ebene mit der Gehirnwäsche durch die Sekte.

Genauso verwerflich ist jedoch das Zulassen von perversen Bedürfnissen, die anderen schaden. Bestes Beispiel dafür ist Aya, die früher von ihrem Vater missbraucht wurde und deshalb total abgedreht ist (der Vater erhält eine angemessene Strafe). Auch Yoko hätte fast eine ähnliche Erfahrung gemacht. Sie entwickelt deshalb einen Hass gegen alle Männer. Doch schließlich, nach langem Kampf, kann sie sich davon lösen, ihre Liebe zu Yu zulassen und ihn befreien.

10. Festival des neuen japanischen Films

10Ich bin seit kurzem Mitglied einer Gruppe aus Ehrenamtlichen, die das Festival des neuen japanischen Films in Osnabrück organisiert. Dieses Filmfest findet in diesem Jahr schon zum 10. mal statt. Vom 01. bis zum 08. November werden an fünf Tagen in der Lagerhalle und im Haus der Jugend ausgewählte Filme gezeigt. 14 japanische Filme verschiedener Genres, wie zum Beispiel Komödie, Drama oder Anime, werden vorgeführt. Neben den Filmen gibt es Workshops, eine Suhsi-Bar und den Auftritt einer Taiko-Gruppe.

Um der herausragenden Rolle des Anime im japanischen Kino gerecht zu werden, zeigen wir in diesem Jubiläumsjahr drei recht unterschiedliche Vertreter dieses Genres.

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Da wäre zum einen „Miss Hokusai“. Das Historiendrama aus dem Jahr 2015 dreht sich um die willensstarke Tochter des berühmten Künstlers Hokusai (Die Welle von Kanagawa). Sie muss sich immer wieder in der von Männern dominierten Lebenswelt des alten Tokyo behaupten. Gleichzeitig kümmert sie sich rührend um ihre blinde Schwester.

Der zweite Anime „Patema Inverted“ stammt aus dem Jahr 2013. Die neugierige Patema und der Junge Age gehören zu verschiedenen Völkern, für die die Anziehungskraft entgegengesetzt wirkt. Durch ihre Beziehung kommen alte Konflikte und Vorbehalte zwischen den zwei Völkern ans Licht.

_plakat_belladonna_a1„Die Tragödie der Belladonna“ richtet sich an eine erwachsene Zielgruppe. Dieser Anime stammt zwar von 1973, ist aber vor kurzem in einer restaurierten Fassung neu herausgebracht worden. Erzählt wird die Geschichte der jungen Jeanne, die nach einer Vergewaltigung durch einen Fürsten voller Schmerz einen Packt mit dem Teufel eingeht.

Daneben zeigen wir noch zwei Filme des bekannten Regisseurs Sono Sion: „Tokyo Tribe“ und „The Whispering Star“. Während „Tokyo Tribe“ eher dem ülichen Stil Sono Sions mit vielen bunten Bildern, schnellen Szenen und abgedrehten Stories entspricht, ist „The Whispering Star“ der Beweis dafür, dass der Regisseur auch durchaus leisere Töne anzuschlagen weiß.

Bestimmt wird für jeden interessierten Kinogänger ein Film dabei sein. Wer also Zeit und Lust hat, ist herzlich Willkommen auf dem 10. Festival des neuen japanischen Films in Osnabrück!

Für nähere Informationen schaut bitte auf der offiziellen Homepage nach. Dort findet ihr auch nochmal eine Kurzzusammenfassung der jeweiligen Filme sowie Infos zum Eintritt oder zur Anmeldung zu den Workshops: http://www.japanfilm-os.de/

Hanami

Hanami ist ein Film mit ganz eigener Schönheit. Er zeigt beispielhaft an Rudi Angermeyer, dass es möglich ist, auch nach dem Tod mit geliebten Menschen in Verbindung zu bleiben und Wege aus der plötzlichen Einsamkeit zu finden.

Gedreht wurde der Film von Doris Dörrie. Er erschien 2008 in den Kinos und wurde zu einem der erfolgreichsten Filme des Jahres. Besonders Elmar Wepper wurde für seine Darstellung des Rudi mehrfach ausgezeichnet. Weitere Hauptrollen waren besetzt von Hannelore Elsner (Trudi) und Aya Irizuki (Yu).

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Das ältere Ehepaar Trudi und Rudi Angermeyer lebt in einem bayrischen Dorf in eingefahrener Routine. Als Trudi erfährt, dass ihr Mann sterbenskrank ist, entschließt sie sich dazu, ihm dies zu verheimlichen. Da sie die verbleibende Zeit gemeinsam intensiv nutzen möchte, versucht sie aufgeschobene Träume und Vorhaben zu verwirklichen. Rudi, der nichts von den tieferen Motiven seiner Frau weiß, ist nicht besonders begeistert. Die beiden machen sich auf den Weg zu ihren erwachsenen Kindern nach Berlin. Diese sind ihnen jedoch fremd geworden und zu beschäftigt mit ihrem eigenen Leben.

Enttäuscht von dem Besuch bei Klaus und Karolin, machen die beiden noch einen Abstecher an die Ostsee. Als Trudi ganz plötzlich verstirbt, ist Rudis Welt zutiefst erschüttert. Er ist einsam und sehnt sich nach seiner Frau. Da diese immer ein großer Fan von Japan und japanischem Ausdruckstanz (Buto) gewesen war, macht Rudi sich auf den Weg nach Japan zu Sohn Karl, der dort Geschäftsmann ist.

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Auch dieser kann wenig mit seinem trauernden Vater anfangen. Rudi versucht, sich in der großen Stadt abzulenken und seinen Schmerz zu bewältigen. Doch erst die Begegnung mit der obdachlosen Yu macht es ihm möglich, tiefer zu seiner Frau vorzudringen. Yu ist eine junge Buto-Tänzerin, die ihre Mutter verloren hat. Sie hat es verstanden, trotz des Schmerzes die innere Verbindung mit der Toten nicht zu verlieren. Ihr Werkzeug ist dabei der Buto-Tanz.

Gemeinsam mit Yu macht Rudi sich auf den Weg zum Fuji. Leider ist dieser lange Zeit hinter Wolken versteckt. Doch als der Berg eines Morgens zu sehen ist, geht Rudi allein in den Kleidern seiner Frau hinaus und beginnt vor dem Berg zu tanzen. In diesem Tanz und in dieser Szenerie spürt er die Anwesenheit seiner Frau. In diesem Moment der Freude bricht er jedoch tot zusammen. Es stellt sich heraus, dass er Yu seine gesamten Ersparnisse vermacht hat, sodass sie nicht mehr in Armut leben muss.

 

Hauptthema des Films ist der Umgang mit dem Verlust eines geliebten Menschen. Stirbt jemand plötzlich, hinterlässt er leere Stellen. Wir fragen uns, wie gut wir diese Person wirklich kannten und ob wir immer gut zu ihr waren. Rudis Reise in das Land, das Trudi so geliebt hat, ist Ausdruck des Wunsches nach Verzeihung für seine Unaufmerksamkeit in den langen Jahren der Ehe. Auch wird seine Sehnsucht und seine Liebe, die er sonst nicht ausdrücken konnte, hier sehr deutlich. Yu zeigt ihm einen Weg, mit der Trauer umzugehen und die Verbindung zu Trudi aufrecht zu erhalten.

Weiteres Thema ist die zwischenmenschliche Verbindung zweier Menschen, die aus sehr unterschiedlichen Lebensverhältnissen kommen. Er, ein alter Bayer vom Land, trifft auf sie, die junge obdachlose Japanerin aus Tokyo. Was sie verbindet ist der Schmerz und die Suche nach den geliebten Menschen.

Hinzu kommt ein Eltern-Kind-Konflikt. Die erwachsenen Kinder haben sich von der Welt der Eltern entfernt. Sie haben selber Familie, Jobs und Hobbies. Da werden die Eltern mit ihren alten Ideen und überholten Vorstellungen den Kindern schnell lästig. Sie lieben ihre Eltern. Dennoch können sie wenig mit ihnen anfangen und der Zugang zueinander ist schwierig.

Mir gefällt dieser Film sehr gut. Es ist ein Film, der nachdenklich stimmt und auf vielerlei Weise wichtige Themen anspricht. Die Hilflosigkeit der Charaktere und die Suche nach innerer Verbundenheit werden gut zum Ausdruck gebracht. Es gibt kein Schwarz-Weiß; selbst die ablehnende Haltung der Kinder ist in gewisser Weise nachvollziehbar und natürlich. Dass Japan in diesem Film zum Ort der Suche wird, ist sicherlich der Liebe der Regisseurin zu Japan zu verdanken. Sie entwirft ein vielschichtiges Japanbild. Sowohl die schrillen Seiten der Großstädte, wenn Rudi nachts durch Tokyo irrt, als auch die ruhigen, traditionellen und spirituell angehauchten Seiten werden gezeigt. Weitere Informationen findet ihr auch auf der Homepage zum Film unter http://www.kirschblueten-film.de/ . Dort kann man sich zum Beispiel das Kinoplakat herunterladen und weitere Bilder ansehen.

Ich habe den Film erstmals 2009 auf DVD gesehen. Danach habe ich ihn noch mindestens drei weitere Male geschaut. Meine Lieblingsfigur ist Rudi. Es ist einfach toll, wie Elmar Wepper den Bayer spielt. Meine Lieblingsszene ist die, in der er sein Stofftaschentuch an ein Geländer bindet, um sich nicht in Tokyo zu verirren und kurze Zeit darauf eine Tabledancebar betritt, in der Eurodance gespielt wird. Einfach super.

Wer sich also nicht nur für Japan, sondern auch für die genannten Themen interessiert, dem kann ich diesen Film für einen ruhigen Abend empfehlen. Danach werdet ihr sicher mal wieder bei euren Eltern oder Großeltern vorbeischauen wollen. 🙂

Shokuzai – Sühne

Bei Shokuzai handelt es sich um eine zweiteilige Miniserie, die 2012 von Kiyoshi Kurosawa herausgebracht wurde. Der Stoff basiert auf dem gleichnamigen Roman von Kanae Minato. Es ist eine Art Horrordrama, das vor allem auf psychologischer Ebene Wirkung zeigt. Die Hauptrollen spielen Kyoko Koizumi (Asako Adachi), Yu Aoi (Sae), Eiko Koike (Maki), Sakura Ando (Akiko) und Chizuru Ikewaki (Yuka).

Eine Grundschülerin, Emili, wird von einem Fremden missbraucht und in der Turnhalle der Schule tot zurück gelassen. Ihre vier Freundinnen, Sae, Maki, Akiko und Yuka, haben den Mann kurz zuvor gesehen. Doch traumatisiert von den Ereignissen können die kleinen Mädchen keine Täterbeschreibung abgeben. Die verzweifelte Mutter von Emili, Asako Adachi, gibt den Kindern die Schuld daran, dass der Täter noch immer frei rumläuft. Sie fordert von den Kindern, zur Erfassung des Täters beizutragen. Sollte es ihnen nicht möglich sein, erwartet Asako von ihnen auf eine andere Weise dafür zu sühnen, dass sie den Mörder von Emili nicht finden konnten.

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Nach dieser Vorgeschichte folgen vier Abschnitte, in denen jeweils gezeigt wird, wie Sae, Maki, Akiko und Yuka 15 Jahre später von den Ereignissen der Vergangenheit eingeholt werden. Auf verschiedene Weise hatte die Ermordung eine Auswirkung auf ihr späteres Leben. Hinzu kommt der Druck, den Frau Adachi noch immer auf die Mädchen von damals ausübt.

‚Die französische Puppe‘ zeigt das Leben von Sae. Sie ist kontaktscheu und die meisten Männer machen ihr Angst. Aufgrund des Traumas hatte sie noch keine Regelblutung und fühlt sich nicht als ganze Frau. Ein Mann, der behauptet, Sae aus der Schule zu kennen, macht ihr einen Heiratsantrag. Erst ist sie skeptisch. Doch langsam fasst sie Vertrauen und erzählt ihm von ihrem körperlichen Problem. Als er beteuert, dass ihn dies nicht stört, willigt sie ein, ihn zu heiraten. Die Situation spitzt sich zu. Es stellt sich heraus, dass er besessen ist von der Vorstellung, Sae zu besitzen und sie wie eine Puppe aussehen zu lassen. Immer weiter eingeengt und unter Druck gesetzt, bringt Sae ihren Mann um. Sie trifft sich mit Frau Adachi und berichtet ihr von der Tat und ihrer Absicht, sich der Polizei zu stellen. Zwar konnte sie den Mörder nicht finden, aber ihr gesamtes Glück ist nun zerstört. Dies sollte Frau Adachi als Sühne reichen.

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‚Die außerordentliche Eltern-Lehrer-Versammlung‘ befasst sich mit dem Leben von Maki. Sie arbeitet an einer Grundschule als neue Lehrerin. Besonders durch ihre Strenge und Genauigkeit fällt sie auf. Männern gegenüber verhält sie sich distanziert und abweisend. In verschiedenen Situationen wird ihr Gewaltpotential deutlich. Die Situation eskaliert, als sie einen mit einem Messer bewaffneten Mann, der in die Schwimmhalle der Schule eindringt, vor den Augen von Schülern und Kollegen mit einer Stange zusammenschlägt. Als Opfer für ihre Unfähigkeit, Emilis Mörder zu finden, erklärt sie öffentlich im Beisein von Frau Adachi, dass sie vorrangig nicht zum Schutz der Kinder, sondern aus dem Wunsch, die eigene Schuld zu überwinden, so radikal vorgegangen sei. Damit ist ihr Ruf ruiniert. Sie ist überzeugt, dass sie es nicht verdient hat, ein glückliches Leben zu führen und tritt deshalb als Lehrerin zurück.

Der dritte Abschnitt ‚Bruder und Schwester Bär‘ betrachtet das Leben von Akiko. Sie ist arbeitslos und lebt noch immer bei den Eltern. Im Gegensatz zu Sae und Maki will sie sich nicht weiter mit der Vergangenheit auseinandersetzen. Eines Tages kommt ihr älterer Bruder mit seiner neuen Frau und deren Kind aus Tokyo. Zwischen Akiko und dem Stiefkind ihres Bruders entwickelt sich eine freundschaftliche Beziehung. Doch nach einiger Zeit sammeln sich Hinweise darauf, dass ihr Bruder sich an dem kleinen Mädchen vergeht. Zutiefst schockiert bringt Akiko ihren Bruder um. Im Gefängnis möchte sie Frau Adachi ihre Tat als Sühne für Emilis Tod darbringen. Doch diese ist nicht zufrieden damit und lässt die verzweifelte Akiko zurück.

’10 Monate und 10 Tage‘ lautet das vierte Kapitel. Die erwachsene Yuka befasst sich nicht mehr der Vergangenheit. Grade hat sie einen eigenen kleinen Blumenladen aufgemacht und den Kontakt zu ihrer Schwester Mayu und deren Mann neu geknüpft. Nach und nach wird ein starker unterschwelliger Hass auf ihre Schwester deutlich. Sie verführt deren Mann und wird von ihm schwanger. Kalt und berechnend benutzt sie das Kind als Waffe gegen beide. Mayu begeht einen Selbstmordversuch und ihr Mann stirbt, nachdem Yuka ihn von einer Treppe stürzt. Yuka, die im Radio die Stimme von Emilis Mörder gehört hat, berichtet Frau Adachi nach der Entbindung davon und überlässt ihr das weitere Vorgehen.

Asako

Das letzte Kapitel ‚Sühne‘ zeigt Asakos Begegnung mit dem Mörder ihrer kleinen Tochter. Schockiert muss sie feststellen, dass es sich bei ihm um einen alten Studienfreund handelt, in den sie verliebt gewesen war. Sie hatte damals, als sie die Liebe zwischen ihm und ihrer Freundin Akie bemerkte, diese auseinandergebracht und Akie, die verzweifelt Selbstmord begehen wollte, fahrlässig sterben lassen. Durch Zufall hatte er erfahren, dass Asako an dem Tod seiner geliebten Akie Schuld war. Er hat sich gerächt, indem er Asakos Kind Emili suchte und umbrachte. Auch als er erfährt, dass Emili eigentlich sein Kind war, zeigt er keine Reue. Vor ihren Augen wirft er sich kurz darauf vor einen Güterzug.

 

Ausgestrahlt im deutschen Fernsehen wurde der Zweiteiler erstmals auf Arte 2015. Die Geschichte hat mich sehr gefesselt. Es geht weniger um den kriminalistischen Aspekt als vielmehr um das Psychogramm verschiedener Personen, die unter Schuld und Schuldkomplexen zu leiden haben. Unterschiedliche Auswirkungen auf das Leben der jungen Frauen sind zu sehen. Bei allen hat das Erlebte und der Druck durch Frau Adachi tiefe Spuren und Narben hinterlassen. Ob Verdrängung oder Auseinandersetzung, beide Methoden bringen keine Heilung für die traumatisierten jungen Frauen.

Asako Adachi selbst trägt schwer an dem Tod ihrer Studienfreundin Akie und der zerstörten Beziehung zu ihrer großen Liebe Nanjo, der schließlich zum Mörder der gemeinsamen Tochter wird. Auch nachdem er endlich tot und die Leben der jungen Frauen so gut wie zerstört sind, kann sie keine Erleichterung finden. Verwirrt und zweifelnd irrt sie durch neblige Straßen. Die Konzentration auf die vermeintliche ‚Schuld‘ der damaligen Schulfreundinnen von Emili lenkte sie zwar lange Jahre von ihrer eigenen Tat ab, doch die schwere der Vergangenheit kommt mit aller Wucht auf sie zurück.

Tokyo Monogatari

In Tokyo Monogatari spielen die leisen Töne die Hauptrolle. Familie, Eltern-Kind Beziehungen bzw. die Ablösung von Alt durch Neu stehen im Vordergrund und werden in ruhiger Weise thematisiert. Zugleich ist er ein Dokument der Zeitgeschichte, da er das Leben in den 50er Jahren in Japan (nicht lange nach Ende des Krieges) proträtiert.

Der Film von 1953 stammt von Yasujiro Ozu. Er ist das bekannteste Werk des Regisseurs und gilt als einer der besten Filme aller Zeiten.

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Das ältere Ehepaar Shukichi und Tomi Hirayama macht sich von ihrem Dorf aus auf den Weg nach Tokyo, um dort die erwachsenen Kinder zu besuchen. Doch weder ihr ältester Sohn, noch die Tochter haben Zeit und Lust, sich um die Eltern zu kümmern. Nur die Witwe ihres verstorbenen Sohnes, die Büroangestellte Noriko, empfängt sie mit liebevoller Gastfreundschaft.

Um die Eltern loszuwerden, schicken die Kinder die beiden in einen Kurort ans Meer. Dort fühlen sie sich jedoch nicht wohl. Als sich auch noch Tomis Gesundheitszustand verschlechtert, kehrt das Ehepaar nach Tokyo zurück. Sie sind gezwungen, sich zu trennen, da keiner der beiden Kinder bereit ist, beide Elternteile bei sich aufzunehmen.

Auf der Heimreise ins Dorf geht es Tomi immer schlechter, sodass sie einen Zwischenstopp bei ihrem jüngsten Sohn in Osaka einlegen. Zurück zu Hause verstirbt Tomi bald darauf. Während die eigenen Kinder sich kurz nach der Beerdigung wieder auf den Rückweg machen, bleibt Noriko als Unterstützung bei ihrem Schwiegervater. Als auch Noriko abreisen muss, bittet der dankbare Shukichi sie darum, erneut zu heiraten. Noriko gibt zu, dass das Leben als Witwe tatsächlich schwer für sie ist. Als Zeichen seines Verständnisses schenkt Shukichi ihr die Uhr seiner verstorbenen Frau.

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Die Beziehungen innerhalb der Familie, insbesondere die Eltern-Kind-Beziehung, stehen im Mittelpunkt der Geschichte. Obwohl die Eltern mehr Fürsorge und Aufmerksamkeit von ihren Kindern erwarten könnten, beschweren sie sich nicht. Sie geben ihnen nicht die Schuld an ihrem Verhalten, sondern verstehen, dass die Anforderungen des Lebens in der Stadt ihre Kinder beeinflussen.

Deutlich Kritik äußert nur die jüngste Tochter der Familie am Verhalten ihrer Geschwister. Sie ist wütend über deren Undankbarkeit und möchte nie so werden wie ihre Geschwister.

Doch in einer bedeutenden Szene des Films wird sie von Noriko, der einzigen, die sich offenbar korrekt verhalten hat, darauf hingewiesen, dass dies der normale Lauf der Dinge ist. Kinder und Eltern driften auseinander und führen ein Leben in getrennten Welten.

Auch Noriko, die als Witwe lebt, empfindet sich nicht als unschuldig. Innerlich hat sie sich schon ein wenig von ihrem verstorbenen Mann getrennt, sodass sie sich gegenüber ihm und seiner Familie schuldig fühlt. Erst durch ihre Schwiegereltern und letztlich durch das Geschenk wird sie „freigesprochen“ und kann ein neues Leben beginnen.

Die Familie als Bild des Zusammenhalts und der Geschlossenheit wird hier auf die Probe gestellt. Auch der traditionell starke Fokus auf die Familie in Japan ist modernen Einflüssen unterworfen. Hinzu kommt das natürliche Loslösen der Kinder vom Elternhaus. Es kommt zu Spannungssituationen, die aber nicht offen ausbrechen. Das kann für den Zuschauer unbefriedigend sein, ist aber durchaus realistisch. Nicht jeder ist es gewohnt, andere direkt mit seinem Ärger und seiner Enttäuschung zu konfrontieren. Oft sehen wir, wie Noriko oder die Großeltern ihre Gefühle unter einem Lächeln verbergen.

Schließlich möchte ich noch etwas zum besonderen Stil des Filmes sagen. Ozu hat einen nüchternen und undramatischen Film geschaffen. Auffällig ist die geringe Höhe der Kameraposition, und dass die Kamera kaum bewegt wird. Während Konversationen schauen wir mitunter direkt dem Sprecher ins Gesicht. Interessant sind zudem die sogenannten ‚leeren Bilder‘, die eine kurze Szene zeigen, die nicht unmittelbar zur Geschichte gehört. Es werden Gegenstände oder Landschaften gezeigt. Man vermutet, dass sie als Platzhalter für die Gefühle der Charaktere oder der Zuschauer dienen sollen. So ganz genau weiß man das aber nicht.

Erstmals gesehen habe ich den Film 2012. Danach habe ich ihn auch mit meiner Mutter und Schwester geschaut, die (trotzdem es nur deutschen Untertitel gab) zu Tränen gerührt waren. Meine Lieblingsszene ist die, in der Noriko Kyoko erklärt, dass ihre Geschwister keine gewissenlosen Menschen sind, und dass das Leben einfach enttäuschend ist in vielerlei Hinsicht. Die harte Realität, wieder geschmückt mit einem Lächeln.

Alles in allem ist es ein besonderer Film japanischen Stils, der unaufgeregt die Veränderung und Entfremdung in einer japanischen Familie der 50er nachzeichnet. Wenn man sich auf die ruhige Erzählweise und den japanischen Stil einlassen kann, dann ist er sehr interessant.